Bizarre Interviews, krasse Bildungslücken, ein Frauenproblem und zuletzt schmerzliche Niederlagen. Donald Trumps Siegeszug geriet in den vergangenen Wochen gehörig ins Stocken. Zuletzt schmierte der milliardenschwere Geschäftsmann in Wisconsin deutlich gegen seinen Rivalen Ted Cruz ab.
IMAGE-ERRORZwar ist Trump weiterhin klarer Spitzenreiter und der einzige, der realistische Chancen hat, die nötige Mehrheit von 1237 Delegierten noch zu erreichen. Nichtsdestotrotz glauben viele im republikanischen Lager nicht mehr an eine vorzeitige Entscheidung bis zum Wahlparteitag in Cleveland am 18. Juli. Sollte Wisconsin tatsächlich eine Trendwende eingeläutet haben, wird Favorit Trump das Ziel nach Berechnungen der «New York Times» verfehlen.
Typischer Wahlkampfspot
Doch wenn nicht Trump oder Cruz, wer dann? Sollte keiner der beiden die nötige Mehrheit der Delegiertenstimmen erreichen, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die republikanischen Parteibosse am Ende einen Drittkandidaten ins Rennen schicken.
Als ein solcher Joker könnte sich laut Fachleuten Paul Ryan, der Sprecher des US-Repräsententhauses, entpuppen. Zwar hatte der 46-Jährige zuletzt immer wieder betont, nicht ins Präsidentschaftsrennen einsteigen zu wollen, doch sprachen seine Handlungen in den vergangenen Tagen eine deutlich andere Sprache.
Letzte Woche reiste Ryan nach Israel, um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die weitere Unterstützung der USA zuzusichern. Danach besuchte er weitere Staaten des Mittleren Ostens und Deutschland, um dort mit ranghohen Vertretern über sicherheitspolitische Aspekte zu diskutieren.
Anschliessend veröffentlichte sein Büro ein Video mit dem Titel «Was mich an Politik am meisten stört», in dem sich Ryan für ein «selbstbewusstes Amerika» einsetzt – es erinnert in jeder Hinsicht an einen typischen US-amerikanischen Wahlkampfspot.
Medialer Rückenwind
Auch in den Medien erhält Ryan zunehmend Rückenwind. Erst kürzlich sprach sich die konservative Kolumnistin Kathleen Parker in der «Washington Post» für ihn als valable Alternative zu den führenden republikanischen Kandidaten aus.
Ryan, der bei der US-Präsidentenwahl 2012 bereits als Vizepräsidentschaftskandidat von Mitt Romney antrat, sei ein «frisches Gesicht», ein Mann, der «den Glauben und die Familie» hochhalte und eine beeindruckende «Geschichte der Zusammenarbeit mit Demokraten» habe.
Zwar wäre alles andere als eine Nominierung von Trump oder Cruz zum jetzigen Zeitpunkt eine mächtige Überraschung, bis zum 18. Juli kann aber noch viel passieren. Zuletzt zeichnete sich immer deutlicher ab, dass nach ihren gegenseitigen Schmutz-Kampagnen weder Trump noch Cruz noch der abgeschlagene John Kasich imstande sein werden, die Republikaner geschlossen hinter sich zu bringen.
Auch sieht es laut jüngsten Umfragen nicht danach aus, dass einer der Streithähne der führenden Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, in einem Direktduell das Wasser reichen könnte.
Ein Überraschungskandidat wie Ryan, der die zerstrittenen Republikaner als Sprecher des US-Repräsententhauses noch am ehesten auf einen gemeinsamen Nenner bringen und mit seiner moderaten Politik a priori eine breitere Wählerbasis ansprechen würde, könnte daher zum Ass im Ärmel der Republikaner werden. Ob das Partei-Establishment sich auf diesen Poker einlässt, wird sich zeigen.
Paul Ryan dementiert allerdings (noch): «Ich möchte nicht für unsere Partei kandidieren und werde auch keine Kandidatur annehmen.». Er wolle damit alle Spekulationen ein für allemal beenden. Man wird sehen, wie er im Sommer, wenn der Parteitag ansteht, darüber denkt.