Es wurde nochmals richtig spannend im Rennen um die Mehrheit im US-Senat. Am späten Samstagabend (Ortszeit) war es dann aber entschieden: Ein Sieg im Bundesstaat Nevada brachte den Demokraten den entscheidenden Senatssitz Nummer 50.
Selbst eine Niederlage in der Stichwahl in Georgia kann den Demokraten jetzt nichts mehr anhaben – der Stichentscheidsbefugnis von Vizepräsidentin Kamala Harris (58) sei Dank.
«Divided government» sehr wahrscheinlich
Für US-Präsident Joe Biden (79) ist das ein grosser Sieg. Er geht überraschend gestärkt aus den Zwischenwahlen hervor. Aufgrund von Bidens schlechten Umfragewerten sagten viele Politexperten eine Bruchlandung für die Demokraten und einen überwältigenden Sieg der Republikaner voraus.
Im Repräsentantenhaus ist aber aktuell noch immer unklar, welche Partei die für eine Mehrheit nötigen 218 Sitze erobern wird. Viele Rennen sind derart knapp, dass sich die Auszählung in die Länge zieht. «Es sieht momentan so aus, dass die Demokraten im Senat und die Republikaner im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben werden», sagt USA-Expertin Claudia Brühwiler (40) zu Blick.
Wenn die Kontrolle über die Exekutive und die Legislative zwischen den beiden politischen Parteien aufgeteilt ist, spricht man laut Brühwiler von «divided government», also einer geteilten Regierung. Ein solcher Zustand würde dazu führen, dass die Republikaner Bidens Gesetzesvorhaben blockieren könnten.
«Auch wenn die Demokraten künftig wohl nicht mehr die volle Kontrolle über beide Kongresskammern haben, so ist die Senatsmehrheit dennoch sehr wertvoll», sagt Brühwiler. Nominierungen, beispielsweise für Bundesrichter oder Kabinettsmitglieder, können damit einfacher durchgebracht werden. Völlig machtlos werden die Demokraten durch den Verlust des Repräsentantenhauses also nicht.
«Republikaner werden die Militärhilfen nicht einstellen»
Welche Konsequenzen hat das Wahlergebnis für die Militärhilfen an die Ukraine? Im Vorfeld der Midterms sorgte unter anderem der republikanische Kongressabgeordnete und Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy (57), für Aufruhr, als er sagte, es werde mit einer republikanischen Mehrheit «keinen Blankoscheck» für die Ukraine mehr geben. McCarthy gilt als Favorit für den Sprecherposten des Repräsentantenhauses.
Dass sich an der jetzigen Situation etwas ändern wird, glaubt Claudia Brühwiler aber nicht. «Die Republikaner werden die Militärhilfen nicht einstellen, zumal sie nicht riskieren wollen, für eine mögliche Niederlage der Ukraine verantwortlich gemacht zu werden.» Das bedeutet aber nicht, dass sie einfach alles abnicken werden, was Biden ihnen vorlegt. «Die Republikaner könnten die Hilfsgelder als Verhandlungsmasse für die nächsten Budgetverhandlungen nutzen, um Biden einige Zugeständnisse abzuwürgen.»
Eine weitere Frage ist auch, ob sich die Republikaner für die beiden Amtsenthebungsverfahren gegen Ex-Präsident Donald Trump (76) revanchieren könnten. «Das kann ich mir durchaus vorstellen», so Brühwiler. «Allerdings glaube ich nicht, dass sie Biden direkt ins Visier nehmen werden.»
Eher würde es wohl Leute aus Bidens Umfeld treffen, gegen die dann Untersuchungen angezettelt werden könnten. Bidens Sohn Hunter (52) zum Beispiel ist bereits seit längerem ein beliebtes Ziel konservativer Kreise. (ced)