US-Abgeordnete Cori Bush bewahrte 11 Millionen Menschen vor der Obdachlosigkeit
Amerikas neue Heldin

Quasi im Alleingang verhinderte die Kongressabgeordnete Cori Bush, dass Millionen Mieter in den USA aus ihren Wohnungen geworfen werden. Selbst ihre Parteifreunde waren lieber in die Ferien gegangen.
Publiziert: 14.08.2021 um 18:08 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2021 um 10:43 Uhr
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Am Freitagabend zog die Abgeordnete Cori Bush (Mitte) aus Missouri vor das Kapitol, um gegen das Ende des Räumungsstopps zu protestieren.
Foto: AFP
Fabienne Kinzelmann aus Washington, D.C.

Manche Katastrophen laufen ab wie ein Autounfall in Zeitlupe. Die Auseinandersetzung im US-Kongress um die Zwangsräumung säumiger Mieter war so eine.

Im Juni hatte sich der US Supreme Court, das oberste Gericht des Landes, gegen eine Verlängerung des «Eviction Moratorium» ausgesprochen. Dieser Erlass der US-Seuchenbehörde CDC sollte säumige Mieter in der Pandemie vor der Zwangsräumung bewahren. Elf Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten drohte deshalb ab August eben dieses Schicksal. Dennoch taten die Regierung und der Kongress daraufhin: nichts.

Elf Millionen drohte Zwangsräumung

Erst zwei Tage vor Ablauf der Frist schaffte es das Thema wieder auf die Tagesordnung. Die Abgeordneten in Washington diskutierten, konnten sich nicht einigen – und gingen am Freitagabend in ihre einmonatige Sommerpause.

Bis auf Cori Bush (45).

«Viele meiner demokratischen Kollegen haben sich entschieden, heute früher in die Ferien zu fahren, anstatt zur Abstimmung zu bleiben, damit die Menschen in ihren Häusern bleiben», twitterte die Abgeordnete aus Missouri, die erst seit diesem Jahr im Repräsentantenhaus sitzt. Sie kündigte an: «Ich werde heute Nacht vor dem Kapitol schlafen. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.»

Protestcamp mit Schlafverbot

Und Bush hielt Wort. Parteikollegen und Besucher gesellten sich zu ihr – nur tatsächlich geschlafen werden durfte nicht, sonst hätte die Kapitol-Polizei dem Protestcamp ein Ende bereitet. Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi (81) kam vorbei, genauso wie Senats-Mehrheitsführer Chuck Schumer (70) und Vizepräsidentin Kamala Harris (56).

Unter den prominenten Unterstützern war auch Demokraten-Ikone Alexandria Ocasio-Cortez (31). Am Montagabend sass sie stundenlang auf der Treppe am Kapitol. Wer sich dazugesellte, konnte hören, wie «AOC» von ihrem Start in Washington erzählte – komplett pleite und nicht in der Lage, sich die Miete für eine Wohnung zu leisten.

Auch für Ocasio-Cortez war der Kampf für ein Eviction Moratorium also ein persönliches Anliegen. Doch für niemanden war er so persönlich wie für Cori Bush.

Mit den Kindern im Auto leben

Bevor sie in den Kongress einzog, wurde sie selbst mehrfach zwangsgeräumt. «Ich weiss, wie es ist, vertrieben zu werden und mit meinen beiden Babys aus meinem Auto leben zu müssen», sagte die zweifache Mutter und ausgebildete Krankenschwester am Samstag in einem Interview. «Darüber will ich auch als Abgeordnete nicht schweigen.»

Dreimal verlor sie ihre Wohnung; Als sie 20 war, warf ihr Vermieter sie nach einem brutalen Streit mit ihrem Freund raus. Mit 29, weil sie während ihrer Ausbildung zur Krankenschwester ihre Miete nicht mehr zahlen konnte. Zuletzt 2015, nachdem sie politisch aktiv geworden war.

Räumungen erneut ausgesetzt

Nach fünf Tagen gab Joe Biden nach. Bis Oktober sind Zwangsräumungen in allen Landesteilen ausgesetzt, in denen die Corona-Infektionszahlen rasch ansteigen.

Die Erleichterung, die Rührung: Sie waren Cori Bush anzusehen. «Heute haben wir Berge bewegt», twitterte sie erleichtert.

Es ist der vorläufige Karrierehöhepunkt der Abgeordneten, die sich erst durch die Polizeigewalt bei den Unruhen in Ferguson (Missouri) 2014 politisiert hat. Bei den Halbzeitwahlen im nächsten Jahr muss sie ihren Sitz im Repräsentantenhaus verteidigen – dann allerdings nicht mehr als Newcomerin, sondern als nationale Grösse.

Am Donnerstag stoppte der Oberste Gerichtshof der USA eine Verfügung des Staates New York, der – ebenfalls wegen der Pandemie – ein lokales Moratorium für Zwangsräumungen eingeführt hatte. Mit dem Bundes-Moratorium, so lässt die aktuelle Entscheidung über New York erwarten, dürfte sich der «Supreme Court» in absehbarer Zeit erneut beschäftigen.

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