Der EM-Triumph wäre Balsam gewesen für die englische Volksseele. Seit dem WM-Heimsieg 1966 wartet das Land auf einen neuen Titel. Und nach dem Knorz-Brexit wollte man es den Kontinentaleuropäern natürlich doppelt zeigen: Ein Endrundensieg im Wembley-Stadion (wie 1966) hätte perfekt gepasst. Fast 60'000 englische Fans durften sich den Final trotz Corona im Stadion ansehen, in Erwartung eines historischen Ereignisses. Es kam anders. Mehr noch: Die Engländer haben am Sonntag nicht nur das Penaltyschiessen verloren. Wegen des Verhaltens einiger Fans der «Three Lions» ging wohl auch ein gutes Stück Respekt im restlichen Europa flöten.
Schon Stunden vor dem Finalspiel drehten England-Fans durch. Videos zeigen, wie eine Meute in das Stadion eindringt. Die Gruppe von etwa 50 Personen reisst Zäune ein, lässt sich von den zahlenmässig unterlegenen Sicherheitskräften nicht stoppen. In den Katakomben des Stadions kommt es dann zu Angriffen auf Italien-Fans, wie Videos zeigen. Tiefpunkt: Ein erwachsener Mann, der einem Jungen ins Gesicht schlägt.
«Keiner mit solch ekelhaftem Verhalten soll unser Fan sein»
Der englische Fussballverband (FA) schreibt, diese Zwischenfälle seien «peinlich» und man werde «etwas dagegen unternehmen». Es blieb nicht der einzige Vorfall am Finaltag, den der englische Verband kommentieren musste.
Die drei dunkelhäutigen Penalty-Fehlschützen Saka (19), Rashford (23) und Sancho (21) wurden von den eigenen «Fans» auf Social Media mit rassistischen Sprüchen eingedeckt. Wobei mit Affen-Emojis garnierte Aufforderungen, nach Afrika zurückzugehen, noch zu den freundlicheren Anwürfen gehörten. Hauswände mit den Konterfeis der Spieler wurden mit hässlichen Graffitis beschmiert.
Abermals musste sich der englische Verband von den eigenen Unterstützern distanzieren. «Wir können es nicht klarer sagen: Keiner mit solch ekelhaftem Verhalten soll unser Fan sein. Wir halten auch die Regierung dazu an, schnell zu handeln und angemessene Gesetze zu erlassen, damit diese Beschimpfungen auch im echten Leben Konsequenzen haben.»
Premierminister Boris Johnson (57) nahm den Ball auf. Und schrieb bei Twitter: «Die Verantwortlichen für diese entsetzlichen Beschimpfungen sollten sich schämen.» Auch Prinz William (39) sprach auf der gleichen Plattform Klartext: «Ich bin angewidert», schrieb er. Und: «Alle Beteiligten sollten zur Verantwortung gezogen werden.»
20 verletze Polizisten, 50 verhaftete Randalierer
Damit ist die Liste der Unsportlichkeiten aber noch nicht vorbei: Pfiffe bei fast jedem Ballkontakt des Gegners, Laserpointer-Angriffe auf den Dänen-Goalie, Feuerwerk vor dem Hotel der Italiener in der Nacht vor dem Final – die England-Fans liessen keine Möglichkeit aus, schlecht dazustehen.
Fazit am Tag danach: 20 verletze Polizisten, 50 verhaftete Randalierer – und viel verletzter Stolz bei den englischen Fans, die sich und ihr Land über Nacht ins Abseits gespielt haben.