Während in den vergangenen Tagen Hunderte Ausländer den Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten verlassen konnten, blieb die Rettung den meisten palästinensischen Zivilisten verwehrt. Lediglich Verletzte oder Palästinenser mit doppelter Staatsbürgerschaft durften raus.
Andere Möglichkeiten der Flucht für Palästinenser, etwa ein Korridor für Zivilisten von Gaza ins Westjordanland, um von dort aus nach Jordanien auszureisen, gibt es nicht. Auch ein Ausweg in den Libanon ist aktuell keine Option. Zudem bleibt der Fluchtweg nach Syrien für Palästinenser versperrt. Die Israelis lassen keine Flüchtlinge in ihr Land, auch nicht zur Durchreise.
Selbst im unwahrscheinlichen Falle eines Umdenkens der israelischen Regierung würde dies den Flüchtenden nicht wirklich weiterhelfen. Denn: Die arabischen Nachbarstaaten wehren sich gegen eine Aufnahme von Palästinensern.
Ägypten öffnet Grenze nur in Ausnahmefällen
«Sie sollten in ihrem Land bleiben», sagte etwa der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi (68) bereits kurz nach dem Hamas-Grossangriff auf Israel vom 7. Oktober, als die israelischen Vergeltungsschläge gerade erst begonnen hatten. Mittlerweile läuft eine umfassende Offensive – mit militärischen Operationen aus der Luft, vom Meer aus und auch am Boden.
Dabei zeigen die arabischen Staaten unmittelbare Sympathie für die Palästinenser und immer wieder auch für die Hamas. Die Einreise für Palästinenser war allerdings bereits vor dem Überfall erschwert. Ägypten öffnete die Grenze – genauso wie momentan – nur in Ausnahmefällen, für Schwerkranke oder Schwerverletzte.
Was die Araber tatsächlich über die Palästinenser denken, bringt ein ägyptischer Bürger in einem Bericht von «The Insider» auf den Punkt. «Wachhunde werden im Garten an der Leine gehalten, nicht im Schlafzimmer. Sie sollen deine Feinde bedrohen, nicht deine Kinder», sagt er. Die «Hunde» sollen Israel gefährden, nicht Ägypten.
Jordanien blockt ab
Viele Nahost-Staaten fürchten sich vor einer dauerhaften Vertreibung der Menschen im Gazastreifen. Dann könnten sich die Hamas-Unterstützer mit ideologisch ähnlichen Dschihadisten zusammentun.
Schon jetzt behält die ägyptische Regierung gerade so die Kontrolle über die politisch instabile Sinai-Halbinsel, die an den Gazastreifen grenzt. Sie entwickelte sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Rückzugsort für militante Islamisten. Die ägyptische Armee muss sich jetzt mit Mitgliedern von Al-Kaida und dem Islamischen Staat auseinandersetzen.
Jordanien hat derweil genug von den palästinensischen Flüchtlingen. Schon jetzt stammt ein Drittel der Bevölkerung aus Gaza oder dem Westjordanland. Bei einer weiteren Flüchtlingsbewegung sei eine «rote Linie» überschritten, erklärte König Abdullah II. bei einem Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (65) Mitte Oktober. Laut «The Insider» sieht der jordanische Monarch die «zerbrechliche nationale Identität» durch einen erneuten Zustrom von Palästinensern gefährdet.
Golfstaaten wollen nur reiche Ausländer im Land
Auch aus wirtschaftlichen Gründen ist eine Flüchtlingswelle für die arabischen Nachbarn heikel. Das ägyptische Wirtschaftswachstum blieb zuletzt hinter den Erwartungen zurück, die Lage im Libanon und Syrien ist ebenfalls nicht die Beste. Während dem Libanon die Anzahl syrischer Flüchtlinge bereits über den Kopf wächst, herrscht in Syrien seit mehr als einem Jahrzehnt ein blutiger Bürgerkrieg.
Und die reichen Golfstaaten? Sie wollen nur reiche Ausländer ins Land lassen. So beherbergt Katar anstatt Flüchtlinge lieber den steinreichen Anführer der Hamas. Der Iran wiederum will Israel vernichten, eine Vertreibung der Palästinenser ist keine Option.
Die arabische Welt stellt sich laut und offen auf die Seite der Palästinenser, geht es aber um die Aufnahme von Flüchtlingen, wird lieber auf Worthülsen gesetzt. Man will die «Wachhunde» schliesslich nicht im eigenen «Schlafzimmer» haben. (nad)