Die Frühlingsoffensive der Ukrainer versetzt die russische Armee von der Angriffs- in die Verteidigungsposition. Die Angst vor dem Gegenschlag der ukrainischen Armee hat die russischen Truppen deshalb dazu gebracht, gigantische Verteidigungslinien zu errichten.
Die Russen versuchen so, das eroberte Gebiet im Süden und Osten der Ukraine zu behalten. Das zeigen Satellitenbilder des Copernicus-Sentinel-2-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation Esa, die das «Redaktionsnetzwerk Deutschland» (RND) ausgewertet hat.
Die gestaffelten Linien ziehen sich über mehr als 100 Kilometer – vom Fluss Dnipro bis weit in die Region Donezk hinein. Teilweise liegen sie 30 Kilometer von der Frontlinie entfernt.
Verschiedene Zonen
Eingeteilt sind sie gemäss dem Militärblogger Pasi Paroinen in verschiedene Zone: Die erste Zone besteht aus Kompaniestützpunkten und Aussenposten. Danach folgen Schützengräben und eine Zone mit Reservekräften und Ablenkungspositionen.
Die Hauptverteidigungslinie besteht schliesslich aus mehrstufigen Schützengräben, Panzerabwehrgräben und Drachenzähnen – Beton-Elemente, die Panzer stoppen sollen. Paroinen vermutet, dass das Gebiet massiv vermint sein dürfte.
Der australische Ex-General Mick Ryan kommentiert auf Twitter die russische Befestigung. Es sei äusserst schwierig, ein derart komplexes Verteidigungssystem entlang der gesamten Frontlinie von etwa 1200 Kilometern zu errichten.
«Feind in Tötungszonen zu lenken»
Man müsse davon ausgehen, dass Russland dieses Gebiet als Schlüsselstelle der ukrainischen Gegenoffensive betrachte. Aus russischer Sicht handelt es sich offenbar um die «gefährlichsten» und «wahrscheinlichsten» Angriffszonen.
Ryan erkennt in den Linien eine Strategie: «Die überwiegende Mehrheit der Hindernisse dient nicht dazu, den Feind aufzuhalten», schreibt er auf Twitter. «Es geht den Russen eher darum, den Feind in Tötungszonen zu lenken oder die Einheit der Truppe und das Zusammenspiel der Waffen zu unterbrechen.»
Die Russen haben laut Ryan auch Hindernisse vorbereitet, um ukrainische Truppen zu überraschen, auszubremsen und mit Gegenangriffen zurückzuschlagen. Diese Strategie sei nichts Überraschendes, schreibt der Ex-General weiter, sondern gängige militärische Praxis. Allerdings seien Theorie und Praxis dann wiederum zwei verschiedene Paar Schuhe. (neo)