Die militärische Lage im Osten der Ukraine spitzt sich nach Angaben der Armeeführung zu: «Die Lage an der Ostfront hat sich in den vergangenen Tagen erheblich verschlechtert», schrieb Olexander Sirski (58), der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, am Samstag auf Telegram.
Seit der Präsidentschaftswahl in Russland vor einem Monat habe die russische Armee ihre Offensive «deutlich verstärkt». Sirski sagt, eine «erhebliche Intensivierung der Offensivaktionen des Feindes» entlang der 1000 Kilometer langen südöstlichen Front sei eine direkte Folge der Ermutigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin nach seiner kürzlichen Wiederwahl.
In der Ukraine wird befürchtet, dass Russland sich möglicherweise auf eine gross angelegte Offensive im Spätfrühling oder Sommer vorbereitet, in der Hoffnung, weitere Gebiete wie Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja zu erobern. Der Feind, so Sirski, stosse mit Angriffsgruppen und gepanzerten Fahrzeugen auch in strategisch wichtigen Gebieten vor. Das «warme, trockene Wetter, das die meisten offenen Gebiete des Geländes für Panzer zugänglich macht», unterstütze Russlands Vormarsch.
Hoffen auf «Hightech»-Waffen
Der einzige Weg, Russlands grössere und schlagkräftigere Armee zu besiegen und auf dem Schlachtfeld wieder die Initiative zu ergreifen, bestehe darin, technische Überlegenheit mit «Hightech-Waffen» zu erreichen, sagt Sirski. Man hoffe, diese von westlichen Partnern zu bekommen. Doch selbst dann, so räumt Sirski ein, stehe die Ukraine noch vor der Herausforderung, genügend Truppen für den Kampf zu mobilisieren und sie ausreichend auszubilden.
Die Ukraine wartet händeringend auf weitere Militärhilfe der USA, die seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 wichtigster militärischer Unterstützung des Landes waren. Seit Ende vergangenen Jahres blockieren die Republikaner im US-Kongress unter Druck des früheren Präsidenten Donald Trump aber ein neues Ukraine-Hilfspaket im Umfang von 60 Milliarden Dollar (knapp 55 Milliarden Franken).
Auch Selenski warnt
Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) hatte angesichts der schwierigen Lage im Osten der Ukraine zuletzt vor einer Niederlage seines Landes im Krieg gegen Russland gewarnt. Die Situation an der Front sei «in einigen Gebieten schwierig», sagte Selenski am Samstagabend.
Russland meldet seit Wochen regelmässig Erfolge der eigenen Armee, während die ukrainische Armee unter den Folgen von Waffen- und Munitionsmangel sowie Schwierigkeiten bei der Rekrutierung neuer Soldaten leidet. (kes)