Edibe Gölgeli (44) schläft noch, als sich die Inbox ihres Smartphones füllt. Am frühen Montagmorgen blickt die Basler Grossrätin auf ihr Handy. «Da waren so viele Messages. Ich bin richtig erschrocken», sagt Edibe Gölgeli. Schnell wird das Ausmass der Hiobsbotschaften klar.
Gölgelis Eltern kommen aus dem Südosten der Türkei, genau dort, wo das Epi-Zentrum des schweren Bebens liegt, das in der Nacht die Südosttürkei und Nordsyrien erschütterte. Die Familie hat in der Provinz Kahramanmaras Verwandte und Freunde ein kleines Haus. «Das steht noch», sagt die Baslerin gegenüber Blick, «aber ansonsten erreichen uns Bilder von Trümmern, Schutt und Asche».
In weiten Teilen ist das Netz kollabiert
Der Handyempfang ist sehr schlecht. In grossen Teilen der Region ist das Netz kollabiert. Gölgeli versucht, zu telefonieren. Bei den meisten ist die Leitung tot. Dort, wo es zur Verbindung kommt, schmerzen die Nachrichten. «Meine Mutter versucht verzweifelt, ihre Angehörigen zu erreichen. Es wurden schon einige Todesfälle in der Familie bestätigt», sagt Edibe Gölgeli, «die Menschen verharren draussen bei eisiger Kälte. Es schneit und es gibt keinen Strom». In den kommenden Tagen stürzen die Temperaturen auf minus sechs Grad Celsius.
Schwere Nachbeben würden die Region in Angst und Schrecken halten, erzählt die Betriebsökonomin. «Die Bebenopfer dürfen nicht zurück in ihre Häuser, da die noch intakten Gebäude auch zusammenbrechen könnten». Viele Spitäler seien eingestürzt, die Versorgung der Verletzten zuweilen extrem schwierig. Die Betroffenen wüssten nicht, wohin.
Erdbeben in der Türkei und in Syrien
«Die Ohnmacht macht mich unendlich traurig»
«Ein Cousin von mir sitzt mit seinen erst zwei Monate alten Zwillingen im Auto», erzählt die Grossrätin weiter. «Die Tankstellen werden gestürmt, weil die Menschen das Benzin brauchen, um ihre Autos zu starten. Bei laufendem Motor geht die Heizung und sie können ihre Handys aufladen».
In der Stadt geht es schon dramatisch zu, aber auf dem Lande seien die Menschen auf sich selbst gestellt, da brauche es lange, ehe die Rettungskräfte kommen. «Viele der älteren Menschen wurden sehr wahrscheinlich verschüttet», vermutet Gölgeli, «so manchem, der sich nach draussen gerettet hat, droht nun der Erfrierungstod». Man könne hier in der Schweiz nichts tun, um zu helfen. «Diese Ohnmacht macht mich unendlich traurig», sagt Gölgeli.
Es brauche dringend internationale humanitäre Hilfe. «Ich werde jetzt eine Gruppe zusammenstellen, die sich um den Kontakt zu den Hilfsorganisationen kümmert». Denn Hilfe würden ihre Landsleute im Katastrophengebiet auch noch in den kommenden Wochen und Monaten brauchen.