Der seit sieben Jahren dauernde Konflikt zwischen Russland und der Ukraine droht zu eskalieren. Russland hat mehrere Kriegsschiffe ins Schwarze Meer vor die Küste der Ukraine und der annektierten Halbinsel Krim verlegt. Offenbar sollen die Artillerie- und Ladungsschiffe an Übungen teilnehmen.
Diese Woche wurde zudem ein ukrainischer Regierungssoldat im Osten des Landes bei Gefechten getötet, ein anderer wurde verletzt. Damit stieg die Zahl der Toten seit Anfang Jahr auf rund 50.
Was hat Russland vor? Will es den Westen und den neuen US-Präsidenten Joe Biden (78) testen?
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (43) fuhr an die Frontlinie im Osten des Landes, um «den Kampfgeist» der Soldaten zu stützen. Dort ist in den vergangenen Tagen die vereinbarte Waffenruhe gleich mehrmals verletzt worden. Die Regierung wirft Russland vor, seit Wochen auch die Truppen an der Grenze zur Ukraine massiv zu verstärken – was Moskau aber dementiert.
«Schuss in die Schläfe»
Jetzt giesst ein hoher Kreml-Funktionär weiter Öl ins Feuer. Dmitry Kosak (62), stellvertretender Leiter der russischen Präsidialverwaltung, warnt: «Der Beginn einer Militäraktion – das wäre der Anfang vom Ende der Ukraine.» Zu einer Militäraktion käme es dann, wenn Russland gezwungen sei, seine Bürger in der umkämpften Gegend von Donbass zu verteidigen.
Kosak betonte, nur dann einzugreifen, wenn die Ukraine den ersten Schritt mache. Aber dann mit dem Zweihänder. Kosak: «Eine militärische Aktion wäre nicht nur ein Schuss ins Bein, sondern in die Schläfe.»
Putin hat Kosak vor einem Jahr zum Beauftragten der Präsidialverwaltung für die Ukraine ernannt. Er gilt als politisch vielseitig einsetzbarer «Feuerwehrmann» mit guten Managerfähigkeiten. 2014 war er für die Vorbereitungen für die Olympischen Winterspiele in Sotschi zuständig. Die EU hat ihn auf die Boykottliste gesetzt.
Wegen der brenzligen Lage hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (66) den russischen Präsidenten Wladimir Putin (68) angerufen und ihn aufgefordert, seine Soldaten von der Grenze abzuziehen.
Schon 13'000 Tote
Seit knapp sieben Jahren werden Teile der Gebiete Luhansk und Donezk entlang der russischen Grenze von aus Russland unterstützten Rebellen kontrolliert. UN-Schätzungen zufolge starben bei den blutigen Kämpfen und in deren Folge bislang mehr als 13’000 Menschen.
Von 3,6 Millionen Einwohnern der beiden Volksrepubliken haben bereits 600’000 einen russischen Pass. Wladimir Putin hatte im April 2019 – kurz nach der Wahl von Selenski zum Präsidenten – eine vereinfachte Ausgabe russischer Pässe für die Bürger der Volksrepubliken angeordnet.
Ein international vermittelter Friedensplan von 2015 liegt auf Eis. Der Plan sieht neben der Waffenruhe eine Entmilitarisierung der Front, eine Amnestie für die Separatisten, Wahlen in den abtrünnigen Gebieten und die Gewährung einer Autonomie vor. (gf)