Donald Trump ist in der Defensive. Das halbe Land ist ohnehin schon unzufrieden mit ihm, die andere Hälfte dürfte es ihm übelnehmen, dass er das Coronavirus absichtlich schwach geredet hat. Dies gestand er dem Journalisten Bob Woodward. Trumps Erklärung, mit der er die Wähler wieder auf seine Seite ziehen möchte: «Ich wollte keine Panik schüren».
Nebst all den gesundheitlichen Implikationen – Menschen wurden nicht genügend vor dem Virus gewarnt – geht diese Strategie gegen alles, wofür Trump steht. Seine Politik kannte bisher vor allem ein Motto: Schreckensszenarien zeichnen, Panik verursachen. Ein Zaun muss her, sonst klauen die Mexikaner alle Jobs und vergewaltigen die Frauen; Gangs übernehmen die Vorstädte der USA; Karawanen von Illegalen, die aus Zentralamerika in die USA eindringen; Beispiele gibt es unzählige, hier ein paar weitere:
Todesstrafe
Trumps Panik-Strategie begann lange, bevor er ins Weisse Haus einzog. 1989 kaufte er vier Seiten voller Anzeigen in Zeitungen von New York und machte sich für die Todesstrafe stark. Die «Central Park Five» – eine Gruppe von Teenagern bestehend aus Schwarzen und Lateinamerikanern – wurden verurteilt, eine Frau im Central Park attackiert und vergewaltigt zu haben. Später wurden alle freigesprochen.
Republikanischer Parteitag 2016
Als Trump dann die politische Bühne für sich hatte, legte er richtig los. Der ganze Wahlkampf war mit Angstmacherei überzogen, Trump warnte die US-Amerikaner was ihnen blüht, wenn die Demokraten weiter an der Macht bleiben. Als er dann von den Republikanern nominiert wurde, fasste er seine Mantren zusammen: «Die Attacken auf unsere Polizei, der Terrorismus in den Städten gehen gegen alles, wofür wir stehen. Viele Amerikaner mussten Gewalt mitansehen, einige sind sogar zum Opfer geworden.»
Politische Gegner generell
Diese Strategie behielt Trump vier Jahre bei. Im Wahlkampf wird immer übertrieben und es werden Versprechungen gemacht, die nicht eingehalten werden. Bei Trump aber fällt auf: Er warnt fast nur davor, was die Gegner schlecht machen. Würden Joe Biden gewinnen, würde die Wirtschaft zerstört, das Gesundheitssystem ruiniert, das Land von fremden Mächten wie China eingenommen und Anarchie herrschen. Selbstverständlich sind die Demokraten auch für die Unruhen verantwortlich, die seit dem Tod von George Floyd zu massenhaft Plünderungen, Verletzten und sogar Toten geführt haben. Diese Aussagen wiederholt er mittlerweile mehrmals wöchentlich, wenn nicht an Veranstaltungen dann auf Twitter.
Muslime
Trump schürte auch bewusst die Angst vor einer Bevölkerungsgruppe, die seit 9/11 ohnehin schon unter besonderer Beobachtung steht: Muslime. Kurz nachdem Trump US-Präsident wurde, führte er Einreiseverbote für sieben muslimische Staaten ein. Er sagte, das seien allesamt «potenzielle Terroristen» und er wolle «Kontrollmechanismen» etablieren. Das Gesetz beschäftigte Gerichte monatelang und wurde mehrfach abgeändert, bis es vom Supreme Court für rechtens erklärt wurde.
Hurrikan Dorian
Im Sommer 2019 raste der Hurrikan Dorian auf die US-Südostküste zu. «Es sieht so aus, als wenn es ein absolutes Monster sein könnte», sagte Trump und warnte die Bewohner der betreffenden Gebiete. «Alles deutet darauf hin, dass er sehr hart zuschlagen wird und, dass es sehr gross wird».
Am Ende standen 6 Todesfälle indirekt mit Dorian im Zusammenhang. Der wirtschaftliche Schaden des Hurrikans wird auf 1,6 Milliarden Dollar beziffert, zwischenzeitlich waren Hunderttausende Menschen ohne Strom.
Panikmache geht direkt weiter
Weil Bob Woodward so lange zuwartete, die Öffentlichkeit zu informieren, sieht sich Trump in seiner Strategie bestätigt.
Allerdings nehmen viele dem Starjournalisten übel, dass er PR-Gedanken über Transparenz stellte. Trump freilich ist das egal. Wenige Augenblicke, nachdem er seine Strategie verteidigte, verursachte er wieder das, was er am besten kann: Panik.