Bald könnte der US-Kongress Tiktok den Stecker ziehen. Wäre da nicht Donald Trump (77). Der ehemalige US-Präsident verblüffte diese Woche die republikanischen Mitglieder des US-Repräsentantenhauses, als er sich gegen ein Verbot von Tiktok aussprach.
Dabei war er es höchstpersönlich, der vor vier Jahren ein Tiktok-Verbot umsetzen wollte. Nun haben US-Präsident Joe Biden (81) und der Kongress das Heft in die Hand genommen – mit einem überparteilichen Gesetzentwurf, der nächste Woche im Repräsentantenhaus verabschiedet werden soll. Und partout stellt sich Trump dagegen. Wieso?
Was wird im Kongress entschieden?
Der US-Kongress unternimmt derzeit einen erneuten Anlauf, um Tiktok in den USA zu verbieten. 50 Mitglieder des Handelsausschusses im US-Repräsentantenhaus haben einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet – einstimmig und parteiübergreifend. Damit haben die Gesetzgeber die Befürchtungen unterstrichen, dass Tiktok ein Risiko für Spionage durch die chinesische Regierung darstellen könnte.
Die Massnahme würde Tiktok aus den US-App-Stores verbannen – es sei denn, die Plattform, die von rund 170 Millionen Amerikanern genutzt wird, schnell von ihrer in China ansässigen Muttergesellschaft ByteDance abgespaltet wird.
Und was hat Trump damit zu tun?
Trump hat sich in einer überraschenden Kehrtwendung gegen ein Tiktok-Verbot ausgesprochen. In einem Interview mit CNBC sagte Trump, dass er Tiktok nach wie vor als Bedrohung für die nationale Sicherheit betrachte, ein Verbot der Plattform junge Menschen aber «verrückt machen» würde. «Es gibt viel Gutes und viel Schlechtes bei Tiktok», so Trump. Er fügte hinzu, dass jede Massnahme, die der Plattform schadet, Facebook zugutekäme, das er als «Feind des Volkes» bezeichnete.
Dabei war er es eigentlich, der vor vier Jahren ein komplettes Tiktok-Verbot gefordert hatte. Im August 2020 erliess Trump eine Verfügung zum Verbot von Tiktok. Tiktok bekämpfte das Verbot vor US-Gerichten und gewann. Nun möchten der US-Kongress und Präsident Biden Trumps Werk vollenden – und Trump stellt sich quer.
Böse Zungen behaupten, dass Trump käuflich sei. Denn Anfang dieses Monats sprach Trump auf einer Konferenz der einflussreichen konservativen Organisation Club for Growth, nachdem er von deren Hauptgönner und republikanischem Megasponsor Jeff Yass (68) darum gebeten worden war. Yass' Firma hat einen Anteil an ByteDance im Wert von mehr als 20 Milliarden Dollar – er hat also ein grosses Interesse daran, dass Tiktok im amerikanischen Markt bestehen bleibt. Wie «Washington Post» schreibt, wird Club for Growth im Wahljahr 2024 voraussichtlich Millionen zur Unterstützung von Trump ausgeben.
Was bedeutet Trumps Meinungswechsel für seine Partei?
Auf seinem Weg zur republikanischen Nominierung übt Trump mehr Einfluss auf die Agenda seiner Partei im Kongress aus als je zuvor. Wenn es Trump gelingt, diese Bemühungen im Dienste seiner finanziellen und politischen Interessen zu vereiteln, ist das ein schlechtes Zeichen für alle verbleibenden republikanischen Bemühungen bis zur Wahl.
Er hat bereits ein konservatives, aber parteiübergreifendes Grenzgesetz zum Scheitern gebracht, und seine «Make America Great Again»-gesinnten Lakaien im Kongress blockieren die Verabschiedung der dringenden Hilfe für die Ukraine. Es sieht immer mehr so aus, als ob die republikanische Politik als Geisel gehalten wird, je nachdem, was diesem Präsidentschaftskandidaten hilft – oder wer seine Kassen füllen kann.
Welche Rolle spielt Tiktok im US-Wahlkampf?
Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb sich Trump genau jetzt gegen ein Tiktok-Verbot ausspricht: Die Videoplattform spielt eine grosse Rolle im US-Wahlkampf – denn republikanische und konservative Inhalte performen sehr gut auf der App. Das wissen auch Trumps Strategen zu schätzen.
«Ich verstehe die Eile nicht, dies mitten in einem Wahljahr zu tun, wenn wir enorme Fortschritte bei der Generation Z machen», sagte der Trump-Verbündete und Stratege Alex Bruesewitz gegenüber Axios. «‹ Make Amerika Great Again›-Inhalte kommen auf Tiktok sehr gut an. Und Meta unterdrückt MAGA-Inhalte sowohl auf Facebook als auch auf Instagram», sagte Bruesewitz.
Meta hat im Februar offiziell erklärt, dass es die Empfehlungen für politische Inhalte in den Feeds der Nutzer auf Facebook, Instagram und Threads stoppt. Deshalb dient Tiktok als Alternative – auch Joe Biden hat Anfang Februar seine Kampagne auf der App gestartet.