Jetzt liegt Donald Trumps (77) Schicksal in den Händen des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten. Die neun Richter beraten ab Donnerstag darüber, ob der Republikaner überhaupt als Präsidentschaftskandidat am 5. November zugelassen ist oder nicht.
Ein Gericht in Denver hatte im Dezember entschieden, dass Trump wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 im Bundesstaat Colorado nicht antreten darf. Trump zog den Entscheid weiter. Das Urteil des Supreme Courts in Washington wird massive Auswirkungen auf das sowieso schon turbulente Wahljahr haben. Vor allem dann, wenn die Richter Trump weder Recht noch Unrecht geben, sondern sich für einen dritten Weg entscheiden. Es wird sogar befürchtet, dass Tumulte ausbrechen.
Wie argumentieren Trumps Gegner?
Sie verweisen auf den 14. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung. Dort heisst es, dass kein Beamter der Vereinigten Staaten, der einmal einen Schwur auf die Verfassung geleistet hat und sich danach an einer Revolte beteiligt habe, je wieder ein öffentliches Amt bekleiden dürfe. Das Gesetz wurde 1868 in der Verfassung verankert als Folge des amerikanischen Bürgerkrieges (1861–1865). Es sollte garantieren, dass Vertreter der Konföderierten, die sich im Bürgerkrieg von den Vereinigten Staaten abtrennen wollten, nie wieder politischen Einfluss erlangen konnten.
Im aktuellen Fall argumentieren Trumps Gegner, dass der damalige Präsident am 6. Januar 2021 mit seiner Brandrede in Washington zum Sturm auf das Kapitol beigetragen und sich damit an einer Revolte beteiligt habe. Deshalb dürfe er nie mehr ein politisches Amt bekleiden.
Wie verteidigt sich der Ex-Präsident?
Trumps Team sagt, der US-Präsident sei vom 14. Zusatzartikel gar nicht betroffen, weil es darin nichts von «Präsidenten», sondern nur von Abgeordneten und Beamten heisse. Zudem habe es sich bei den Vorkommnissen am 6. Januar gar nicht um eine Revolte gehandelt. Und Trump habe die Demonstrierenden auch nicht angeheizt. Seine Verteidiger verweisen darauf, dass der damalige Präsident in seiner Rede an seine Anhänger wörtlich sagte: «Ich weiss, dass ihr alle hier bald zum Kapitol marschieren werdet, um eure Meinung friedlich und patriotisch zum Ausdruck zu bringen.»
Was passiert, wenn Trump verliert?
Sollten mindestens fünf der neun obersten Richter den Berufskollegen in Denver recht geben, dann wäre Trump als Kandidat landesweit gesperrt und könnte nie mehr Präsident werden. Das Urteil wäre letztinstanzlich, könnte also auch nicht mehr weitergezogen werden. Trumps Team warnt davor, dass ein solcher Entscheid zu tumultartigen Zuständen im Land führen könnte. Bei den Wahlen 2020 haben immerhin mehr als 74 Millionen Amerikaner für den Republikaner gestimmt. Ein Entscheid gegen Trump dürfte einen Teil von ihnen massiv verärgern. Dass sie bereit sind, sich notfalls mit Gewalt gegen die amerikanischen Institutionen zu wenden, hat der Sturm aufs Kapitol vor drei Jahren gezeigt.
Was passiert, wenn Trump gewinnt?
Ein Sieg gäbe Trump einen riesigen Boost. Er könnte überall erzählen, dass die von den Demokraten lancierte «Hexenjagd» gegen ihn gescheitert sei und dass die Kräfte, die ihn an einer Rückkehr an die Schalthebel der Macht zu hindern versuchten, nichts als korrupte Verlierer seien. Trump dürfte zudem versuchen, auch alle anderen gegen ihn laufenden Strafverfahren als politische motivierte Sabotageakte zu brandmarken und die Justizbehörden als demokratisch unterwanderte Feinde des Volkes zu verunglimpfen.
Was ist das wahrscheinlichste Urteil?
Das Oberste Gericht muss mehrere Fragen klären, um überhaupt zu einem Urteil zu gelangen: Ist der US-Präsident einer der im 14. Zusatzartikel erwähnten «Beamten der Vereinigten Staaten», oder gilt diese Beschreibung für ihn nicht? War der 6. Januar wirklich eine Revolte? Und falls ja: Hat Trump sich wirklich aktiv daran beteiligt?
Spannend ist zudem folgendes Detail: Im besagten Verfassungszusatz steht wörtlich, dass die schwurbrechenden Revoluzzer nie mehr ein «Amt bekleiden» dürfen, nicht aber, dass sie nie mehr für ein Amt kandidieren dürfen. Die Obersten Richter könnten dem Kandidaten Trump also grünes Licht geben. Sollte er die Wahl dann tatsächlich gewinnen, müsste das US-Parlament bei der Absegnung der Stimmen am 6. Januar 2025 entscheiden, ob es die Wahl für gültig erklärt oder nicht. Zu welchen Szenen dieses Szenario führen könnte, wissen wir seit dem 6. Januar 2021.
Wann kommt der Entscheid?
Das ist unklar. Theoretisch können die vier Richterinnen und fünf Richter sich ewig Zeit lassen. Erwartet wird jedoch, dass ihr Urteil noch vor dem 5. März kommt. An diesem sogenannten «Super Tuesday» führen gleich 15 US-Bundesstaaten ihre Vorwahlen durch.