Während sich die Welt auf einen gemütlichen Silvester in den eigenen vier Wänden vorbereitet, müssen sie in widrigsten Verhältnissen ausharren: Seit Wochen setzen den Menschen in «Moria 2.0» heftige Regenfälle zu. Fotos und Videos zeigen, wie das Flüchtlingslager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos im Schlamm versinkt.
«Die Situation ist megaschlecht, es ist nass und windig. Die Zelte sind nicht gemacht für das Wetter. Es sind konstant unmenschliche Zustände, in denen die Menschen leben müssen», sagt Fanny Oppler (30) von der Schweizer Hilfsorganisation One Happy Family auf Lesbos zu BLICK. «Die Menschen haben nicht genug warme Sachen. Sie dürfen aus Sicherheitsgründen aber auch keine Heizkörper ins Camp bringen oder ein Feuer machen. Wenn es eine Woche durchregnet, haben die Menschen keine Möglichkeit, nasse Sachen zu trocknen.»
Nach dem verheerenden Brand im Flüchtlingslager Moria wurde das Zeltlager auch mit Schweizer Hilfe auf einem ehemaligen Militärplatz am Meer errichtet. Aktuell leben hier noch immer mehr als 7000 Menschen unter widrigsten Bedingungen. «Kara Tepe ist definitiv keine Verbesserung zu vorher. Vorher gab es wenigstens ein paar Wohncontainer. Jetzt wohnen alle im Zelt – und das an einer geografisch unmöglichen Stelle», sagt die Schweizer Helferin. «Den Menschen geht es sehr schlecht. Es ist sehr anstrengend, die ganze Zeit im Überlebensmodus zu sein.» Für Kinder gibt es wegen des Versammlungsverbots kaum Beschäftigung. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen berichtet über Dutzende suizidgefährdeter Kinder.
Flüchtlinge: «Selbst Tiere haben mehr Rechte als wir»
Wegen der Corona-Massnahmen darf jeder Bewohner nur einmal pro Woche für vier Stunden das Camp verlassen – um etwa einzukaufen, zum Arzt oder Anwalt zu gehen. Das zweimal am Tag ausgeteilte Essen reicht laut zahlreichen Berichten von Bewohnern und Hilfsorganisationen kaum und gilt als qualitativ schlecht. Selbst kochen ist wegen der Brandgefahr aber unter Strafe verboten. Duschmöglichkeiten gibt es erst seit kurzem. Opplers trauriges Fazit: «Es fehlt an allem!»
An Weihnachten veröffentlichten die Bewohner selbst einen offenen Brief. Darin kritisieren sie die EU und die verheerenden Zustände im neuen Lager: «Selbst Tiere haben in der EU mehr Rechte und bessere Lebensbedingungen als wir. Jeden Tag leben wir in Angst und Not.»
Die Schweiz hat Kara Tepe nach dem Brand mit aufgebaut und unterstützt Griechenland bis Ende 2020 mit 1,5 Millionen Franken. Seit Dezember ist ein Experte für Wasser, Abwasser und Hygiene des Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) in Griechenland tätig. «Er unterstützt die griechische Regierung bei der Planung der Migrantencamps und berät sie unter anderem bei der Bewältigung des Abflussproblems im Empfangslager auf der Insel Lesbos», teilt ein Sprecher des EDA mit.
Für die Schweizer Helferin Fanny Oppler ist klar, dass es keine Möglichkeit gibt, in den Lagern nachhaltig zu helfen. «Die einzige Möglichkeit ist, die Leute zu evakuieren. Da müsste auch die Schweiz beitragen und wenigstens ein paar Tausend aufnehmen.»