Der Sommer 2022 in Saporischschja neigt sich dem Ende zu, seit rund sechs Monaten herrscht in der Ukraine Krieg. Die 19-jährige Diana Haidukova sucht Ablenkung auf einer Dating-App — und findet Danylo Kowalenko (22). Diana schreibt ihn an, sie treffen sich für einen Spaziergang und bleiben zum Abendessen.
Es war Liebe auf den ersten Blick, die nächsten Monate vergingen wie im Flug. Das Paar wurde unzertrennlich, unternahm alles zusammen. «Sie sind ineinander verschmolzen», sagte Dianas beste Freundin Lisa (20) der «Washington Post». «Ich habe Diana noch nie so verliebt gesehen.»
Hochzeit nur vier Monate nach erstem Date
Bald zog Diana von ihrer Familie auf dem Land zu Danylo in die Stadt. Da war es auch, wo Danylo ihr eines Abends im Kellerbunker einen Heiratsantrag machte. Heimlich heirateten sie auf dem Standesamt — nur vier Wochen nach ihrem ersten Date.
Später postete Diana ein Foto auf Instagram, auf dem sie sich in Danylos Arme schmiegt. «Ich habe schnell und leichtfertig diesen lustigen Clown geheiratet», schrieb sie. Ein Video zeigt sie, wie sie ihn küsst und dabei singt: «Ich habe mit 19 Jahren geheiratet, trotz des Krieges!»
Das Paar versuchte, so viel Zeit wie möglich zusammen zu verbringen. «Sie wussten, dass jeden Moment eine Rakete einschlagen könnte. Die Explosionen schlugen immer in der Nähe unseres Hauses ein», sagte Danylos Freund Artem, der in der Nähe des Paares wohnte. «Irgendwie waren sie darauf vorbereitet, was als Nächstes kam», fügte er an.
Die Bombe schlägt ein
In der Nacht vom 16. Oktober startete Russland einen weiteren tödlichen Angriff auf die Heimatstadt des Paares. Nachdem mehrere Raketen in der Nähe ihres Wohnhauses einschlugen, beschlossen sie, in den Schutzkeller zu gehen. Diana kehrte um, wollte noch etwas holen. Danylo rannte ihr nach. Beide kehrten nie mehr zurück.
Eine Bombe schlug ins Haus ein, zerstörte drei Stockwerke — darunter auch das Schlafzimmer des Paares. Alle Wiederbelebungsversuche für Danylo scheiterten, Dianas Körper wurde erst am nächsten Tag unter den Trümmern geborgen.
Die Freunde der beiden konnten die Nachricht nicht fassen. «Ich rannte zu ihrer Wohnung. Ich sah seinen Vater und er sagte mir, dass Danylo tot sei», so Artem. «Jedes Mal, wenn ich mein Haus verlasse, muss ich auf das Loch in seinem Gebäude schauen.» Auch Liza könne oft nicht aufhören zu weinen: «Ich fühle mich wie eine wandelnde Leiche.» Anstatt den ersten Hochzeitstag müssen die Freunde und Familie nun die Beerdigung des Paares planen. Sie wollen die Asche der Verliebten vermischen und an speziellen Orten in Saporischschja verstreuen.
Das Beispiel steht sinnbildlich für den Verlust, den unzählige Ukrainer gerade erleiden, schreibt die «Washington Post». Jeden Tag werden durch russische Angriffe unschuldige Leben ausgelöscht und Träume beendet. Kriegstraumata werden besonders bei jungen Einwohnern zur Normalität — und der Krieg geht weiter. (jl)