Mit «Titanic» hatte der kanadische Filmregisseur James Cameron (68) 1997 einen der erfolgreichsten Filme der Geschichte gedreht. Cameron tauchte schon selbst zum Wrack des 1912 im Nordatlantik gesunkenen Passagierschiff ab. «Ich war schon oft dort unten, ich kenne den Ort sehr gut», sagt der Kanadier jetzt in einem Interview zum Titan-Unglück.
Die Implosion des U-Boots, das auf einem Tauchgang zur Titanic am Sonntag plötzlich verschwand, bezeichnet Cameron als «ziemlich surreal». Die Parallelen zwischen den beiden Desastern, die 111 Jahre auseinander liegen, seien «verblüffend». Damals wie heute hätten die Verantwortlichen dringende Sicherheitswarnungen ignoriert.
Alle fünf Menschen an Bord der 6,5 Meter langen Titan-Tiefseekapsel fanden bei dem Unglück den Tod. Entdeckte Trümmer lassen laut der US-Küstenwache auf einen katastrophalen plötzlichen Überdruck schliessen, der die Druckkammer schlagartig zertrümmerte. Ein äusserst gewaltsames Ereignis. Die Leichen der Verschollenen werden wohl nie gefunden.
Ungehörte Warnungen
Der französische Tiefseeforscher Paul-Henri Nargeolet (†77) an Bord, der mehr als drei Dutzend Tauchgänge zur Titanic absolviert hatte, sei ein Freund von Cameron gewesen. Cameron nennt den Franzosen «legendär». Dass sein Freund, den er seit 25 Jahren kennt, «auf diese tragische Weise sterben musste, kann ich kaum verarbeiten», so der Filmregisseur im Gespräch mit dem US-Sender ABC News.
Was Cameron ebenfalls nicht aus dem Kopf geht, sind Parallelen zwischen dem Unglück der Titan und dem Untergang der Titanic, die auf ihrer Jungfernfahrt im April 1912 auf einen Eisberg gestossen und gesunken war. «Ich bin verblüfft von der Ähnlichkeit mit der Titanic-Katastrophe selbst. Auch der Kapitän der Titanic sei wiederholt vor Eisbergen im Gebiet gewarnt worden. Dennoch habe er an der «vollen Fahrt in einer mondlosen Nacht» durch die Gefahrenzone festgehalten. Mehr als 1500 Menschen mussten sterben. Es sei surreal, dass diese Katastrophe jetzt am genau gleichen Ort stattfand.
Cameron hat selber Tiefseekapseln entwickelt. Er tauchte in Ozeane ab, die dreimal tiefer als die Titanic liegen. Er verstehe die Herausforderungen an Ingenieure und all die Sicherheitsvorkehrungen. Ausgerechnet das Titan-U-Boot habe über keine Sicherheitszertifikate verfügt.
James Cameron hatte Vorahnung
Auch viele Fachkräfte in der Tauchindustrie seien über dieses Tiefseeboot besorgt gewesen, so Cameron. Es sei eine «reife» Industrie mit verantwortungsbewussten Mitspielern, die neue Boote mittels Computermodellen und langjährigen, ausgiebigen Tests entwickeln. Ingenieure hätten der Firma Ocean Gate Expeditions, der Betreiberin von Titan, «selbst Briefe geschrieben, dass das, was die Firma macht, zu experimentell ist».
Cameron sprach auch mit CNN über die Tragödie. Als er am Montag hörte, dass die Titan gleichzeitig Kommunikations- und Ortungsdaten verloren hatte, fiel ihm nur ein Szenario ein: «Eine Implosion, eine Schockwelle, die so stark war, dass sie tatsächlich ein sekundäres System mit eigenem Druckbehälter und eigener Batterieversorgung zerstörte.» Mit sekundärem System meint er das Ortungssystem des Tauchboots.
Cameron ergänzte, er habe schon zu diesem Zeitpunkt gesagt, dass «wir Kameraden verloren haben, und ich forderte alle auf, ihnen zu Ehren ein Glas zu erheben.»
Das Unglück müsse Abenteurern eine Lehre sein, erklärte Cameron. «Wenn Sie ein Fahrzeug besteigen, sei es ein Flugzeug, ein Überwasserfahrzeug oder ein Tauchboot, sollten Sie darauf achten, dass es durch Zertifizierungsstellen geprüft wurde», betonte er im Hinblick auf die zuletzt aufgekommene Kritik am «Titan»-Betreiber wegen möglicher Sicherheitsbedenken. Das Schlimmste sei, dass die Tragödie habe vermieden werden können, sagte er der britischen BBC. (kes/nad)