Thüringer Verfassungsschutz-Chef warnt im ZDF
Neonazi-Party in Unterwasser war erst der Anfang

Das ZDF-«Auslandsjournal» stellte gestern fest: Deutsche Neonazis fühlen sich in der Schweiz pudelwohl. Sie nutzen unser Land als Nachwuchs- und Geldquelle.
Publiziert: 15.12.2016 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:39 Uhr
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Wegen Waffenlager unterm Bett:Deutschem Neonazi droht Ausschaffung

Hitlergruss und Hakenkreuze in der «idyllischen, beschaulichen, ruhigen Schweiz»: Unter dem Titel «Hitler statt Heidi» berichtete das ZDF-«Auslandsjournal» gestern über die enge Beziehung zwischen der deutschen und Schweizer Neonaziszene.

«Ganze Hundertschaften fallen aus Deutschland ins Nachbarland ein», melden Sandra Susanka und Thomas Vogel in ihrem TV-Bericht. Die Schweiz sei ein «Paradies für die rechte Szene». «Den Neonazis geht es bei diesen Treffen nicht nur um Musik, sie wollen vor allem mehr Anhänger finden, für ihre Ideologie, die sie in der Schweiz offen ausleben können.»

Das grösste Rechtsrock-Konzert Europas fand in der Schweiz statt

Prägend war vor allem ein Konzert im vergangenen Oktober in Unterwasser SG (BLICK berichtete). Rund 6000 Rechtsextreme aus ganz Europa feierten in einer Dorfturnhalle ihre Ideologie – ohne dabei von den Behörden gestört zu werden.

«Hätte die Polizei eingegriffen, hätte es sicher Schwerverletzte auf beiden Seiten gegeben», sagt Fredy Fässler, Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartementes St. Gallen zum «Auslandsjournal». Aussagekräftige Ton- oder Bildaufnahmen existieretn keine – so kommen Veranstalter und Bands nun wohl trotz Strafantrag ohne Konsequenzen davon. 

Rolf Züllig, Gemeindepräsdent Wildhaus-Alt St. Johann SG.
Foto: Toini Lindroos

«Wir wurden vom braunen Mob sprichwörtlich überrumpelt und ausgetrickst», sagt Rolf Züllig, der Gemeindepräsident von Wildhaus-Alt St. Johann in der ZDF-Sendung. Jegliche Anschuldigungen von Naivität nehme er auf sich. Aber wenn das Erlebnis dazu diene, die Sensibilität anderer Gemeinden zu schärfen, dann hätten sie «sehr, sehr viel bewirkt». 

Offensichtlich blieb dieser Effekt aus: Eine Woche nach dem Anlass im Toggenburg tritt ein deutscher Sänger problemlos bei einer rechtsradikalen Veranstaltung in Kaltbrunn SG auf – trotz Einreisesperre (BLICK berichtete). Drei Wochen später findet unter dem Deckmantel einer Geburtstagsparty in Reiden LU ein weiteres Rechtsrock-Konzert statt.

Unterwasser war ein Test für den Rechtsrock-Export

Es sei am Anlass im Toggenburg wohl ein Stück weit darum gegangen, herauszufinden, ob man die «erfolgreiche Rechtsrock-Musikszene exportieren kann», sagt Stephan Kramer, der Präsident des Verfassungsschutzes Thüringen.

«Das Konzert in der Schweiz und die wunderbare Durchführung haben bedauerlicherweise gezeigt, dass es funktioniert.» Er beobachte schon länger, wie die deutsche und Schweizer Neonaziszene immer enger zusammenarbeiteten. 

So verwundert es nicht, dass die meisten Besucher des Mega-Konzerts im Toggenburg aus Deutschland anreisten und auch die Einnahmen von über 100’000 Franken nach Thüringen flossen.

«Wir haben sehr gute Kontakte in die Schweiz»

Deutsche und Schweizer Neonazis pflegten untereinander eine «enge Kameradschaft», sagt Alexander Kurth, ein vorbestrafter Neonazi aus Thüringen. «Wir haben sehr gute Kontakte in die Schweiz.»

Der Szene werde es leicht gemacht, verfassungsfeindliche Parolen in der Schweiz zu verbreiten. So veröffentlichten einige deutsche Neonazis im Internet Fotos der einfachen Einreise in die Schweiz und lobten die gutmütigen Polizisten.

Schuld an dem paradiesischen Zustand für Neonazis ist die Schweizer Gesetzeslage: «Wenn der Hitlergruss zu Propagandazwecken verwendet wird, ist er strafbar», sagt Fredy Fässler. «Wenn er aber als Ausdruck einer persönlichen Haltung verwendet wird und nicht zu Propagandazwecken, dann ist er straffrei.» Eine «diskutable Entscheidung», schmunzelt Fässler, aber das sei im Moment halt die Rechtsgrundlage. (kra)

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