In der chinesischen Hauptstadt geht die Angst vor einer zweiten Coronavirus-Welle um. Dutzende neue Corona-Fälle wurden beim Xinfadi-Markt bestätigt, dem grössten Frischmarkt der Stadt, der die 21,5-Millionen-Metropole weitgehend mit Gemüse, Früchten und auch Fleisch- und Fischwaren versorgt. Am Samstag wurde der Markt in aller Eile dicht gemacht. Wohnviertel in der Nähe sind abgeriegelt, Schulen und Kindergärten im Gebiet geschlossen.
Peking reagiert mit drastischen Massnahmen auf den neuen Ausbruch von Covid-19. In betroffenen Gebieten wurde der «Kriegszustand» mit weitreichenden Sondervollmachten für die Behörden verhängt. Ersten Tests zufolge ist das letzte Woche entdeckte Virus eine Mutation des Wuhan-Erregers.
Dies ausgerechnet jetzt, wenn Europa und Länder rund um den Erdball wieder ihre Grenzen zu öffnen beginnen. Laut chinesischen Gesundheitsbehörden handelt es sich beim neu zirkulierenden Virus um einen bisher unbekannten Untertyp des ursprünglichen Erregers, der Lockdowns rund um den Erdball ausgelöst hat. Welche Gefahr droht?
Neuer Virustyp mit neuen Eigenschaften?
Der neue Virustyp soll nach einer vorläufigen Sequenzierung des Genstamms ein anderer Typ sein als derjenige, der China und die Welt zuvor heimgesucht hat. Das sagte Zeng Guan, Epidemiologe des Gesundheitsministeriums, der «Global Times». Dabei wissen die Verantwortlichen noch nicht, ob es sich um eine harmlosere oder gefährlichere Version des Wuhan-Virus handelt. Auch wie weit sich das Virus bereits erneut verbreitet hat, lässt sich schwer abschätzen. Unter den Infizierten ist auch der Fahrer eines Shuttlebusses des Pekinger Flughafens.
Unklar ist zudem die Herkunft des Virus. Ergebnisse sollen nun mit Analysen aus anderen Ländern verglichen werden, um den Ursprung zu ermitteln. Berichten zufolge war das Virus auf Schneidebrettern entdeckt worden, wo Arbeiter importierten Lachs verarbeiten. China importiert Lachs aus Norwegen, Chile, Australien, Kanada und von den Färöer-Inseln.
Unklar ist auch, inwiefern der neue Virustyp seine Eigenschaften verändert hat. Einer der Neu-Infizierten soll schon seit zehn Tagen über Symptome geklagt haben und eine Infektion erst beim dritten Spital bestätigt erhalten haben. Wie lange der Patient schon infiziert war, ist nicht bekannt.
Erste Anzeichen von Panik
Bis zu dieser Neuentdeckung hatte China das Virus weitgehend unter Kontrolle bekommen. Über das Wochenende meldeten die Behörden einen sprunghaften Anstieg von fast 100 Neuinfektionen. Dies ist die höchste Zahl seit April. Am Donnerstag war in Peking der erste Infektionsfall seit zwei Monaten registriert worden. Inzwischen hat die Zahl der auf dem Markt Infizierten 79 erreicht, wie die Nachrichtenagentur «Bloomberg» berichtet.
Demnach machen sich erste Anzeichen von Panik breit. «Ich spüre die Panik, obwohl ich ziemlich weit weg vom Markt lebe», wird die in Peking lebende Cathy Liu (26) zitiert. «Der unbekannte Ursprung macht es noch erschreckender. Wir können die Möglichkeit eines grossen Ausbruchs in Peking nicht ausschließen.»
Sämtliche rund 10'000 Menschen, die im Markt arbeiteten, sollen getestet werden. Für das betroffene Einzugsgebiet herrscht zudem Reiseverbot. Auch Bewohner von Tianjin und anderen angrenzenden Städten und Gemeinden in der Provinz Hebei sowie bestimmter Stadtviertel Pekings wurden aufgefordert, sich umgehend auf Corona zu testen.
»Glücklicherweise», so Epidemiologe Zeng, «hat Peking die Fälle früh entdeckt und schnell gehandelt.» (kes)