Auf einen Blick
- Tauchboot vor Ägypten gesunken. 17 Menschen vermisst, darunter ein Schweizer
- Experte: Viele Tauchsafari-Schiffe im Roten Meer ohne wichtige Sicherheitszertifikate
- Seit 2022 weltweit 22 Havarien mit Tauchsafarischiffen, über die Hälfte im Roten Meer
Das Rote Meer ist zum Schauplatz einer alarmierenden Serie von Schiffsunglücken geworden. Am frühen Montagmorgen sank vor der ägyptischen Küste ein Tauchboot. 17 Menschen werden noch immer vermisst – darunter auch eine Person aus der Schweiz.
Es ist nicht der einzige Vorfall dieser Art: In letzter Zeit häufen sich Vorfälle mit Tauchsafari-Schiffen in der Region. Gegenüber dem «Stern» erklärt der deutsche Tauchexperte Armin Süss, dass die Schiffe auf dem Roten Meer oft grosse Mängel aufweisen: «Auf allen Weltmeeren fahren grob geschätzt rund 1000 Tauchsafari-Schiffe. Meines Wissens haben davon vier eine Solas-Zertifizierung», erklärt der Experte.
Der Grund: Die Zertifizierung, die strengen Sicherheitsvorschriften der UN-Schifffahrtsorganisation entspricht, ist für kleinere Schiffe nicht verpflichtend. «Den Betreibern ist es wohl einfach zu teuer, sich freiwillig den strengen Kriterien zu unterwerfen», vermutet der Experte.
22 Tauchsafari-Unglücke – die Hälfte davon in Ägypten
Die Folgen sind teils fatal. Allein seit 2022 gab es weltweit mindestens 22 Havarien mit Tauchsafari-Schiffen, mehr als die Hälfte davon im Roten Meer. Ägypten steche dabei besonders hervor. «Nirgendwo auf der Welt sinken so viele Tauchyachten wie in Ägypten. Das Rote Meer ist der globale Unfallschwerpunkt», so Süss.
Die Unfallursachen seien vielfältig. Stabilitätsprobleme durch unsachgemässe Umbauten sind eine der häufigsten Ursachen. Da viele Taucher nicht mehr unter der Wasserlinie schlafen möchten, fänden Umbauten statt, die die Stabilität der Boote beeinträchtigt. «Die kippen dann einfach um.» Auch fehlendes Kartenmaterial oder Feuer – oft ausgelöst durch Lithium-Ionen-Batterien oder mangelhafte Elektrik – lösten in der Vergangenheit Havarien aus.
«Leere Feuerlöscher und ungeeignete Rettungswesten»
«Viele dieser Schiffe sind ohnehin Marke Eigenbau. Die Elektroleitungen sind nicht nach üblichen Standards verlegt, sondern gebastelt, wie es gerade passt.» Für kleinere Schiffe gebe es bislang keinen international anerkannten Sicherheitsstandard. Für Feriengäste sei es deshalb sehr schwierig, zu erkennen, inwiefern die Anbieter sicher sind oder nicht.
Besonders schockierend sind die Berichte von Überlebenden. «Sie erzählen von fehlenden oder leeren Feuerlöschern, ungeeigneten Rettungswesten und Alarmsystemen ohne Batterien», sagt Süss.
«Die Kontrollen sind lax»
Süss nennt dafür klare Gründe: «Die Kontrollen der Behörden sind in Ägypten lax, Korruption ist ein Thema.» Zudem gefährde der enorme Preisdruck die Sicherheitsstandards. Süss bemängelt ausserdem, dass die Matrosen auf den Booten schlecht geschult seien. «Die meisten können nicht einmal schwimmen.» In Notfällen müssen dann oft die Gäste die Evakuierung auf eigene Faust durchführen.
Trotzdem sei es laut dem Experten wichtig, nicht alle Anbieter über denselben Kamm zu scheren. Von sogenannten «Seelenverkäufer-Schiffen» bis zu lizenzierten Booten sei alles vorhanden.
Taucher sollen sich nach Sicherheitsstandards erkundigen
Hartnäckig nach Sicherheitsstandards fragen und nur Schiffe mit nachgewiesenen Sicherheitsvorkehrungen buchen, könnte eine Möglichkeit sein, dem Trend entgegenzuwirken. Nur so könne langfristig ein Umdenken in der Branche erreicht werden.
Was am Montag zum Unglück geführt hat, ist derweil noch nicht geklärt. Laut dem Gouverneur der betroffenen Region wurde das Schiff im März dieses Jahres frisch gewartet und der Zustand als einwandfrei beschrieben.