Tabuthema Inkontinenz – Britin (48) leidet 20 Jahre lang
«Mein Körper war ein einziges Chaos»

Eine kleine Geburtsverletzung stürzte die Britin Joanna Prance in jahrzehntelange Qualen. Die Mutter litt unter starker Inkontinenz, spürte ihren Körper nicht mehr. Nun spricht die Frau über das Tabuthema.
Publiziert: 15.07.2024 um 14:14 Uhr
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Joanna Prance macht auf ihren Social-Media-Kanälen auf das Tabuthema Inkontinenz aufmerksam.
Foto: Jam Press/@colostomummy
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Janine EnderliRedaktorin News

Als die Britin Joanna Prance (48) 1998 ihren Sohn zur Welt brachte, erlitt sie während der Geburt einen Dammriss. Die zunächst harmlos wirkende Verletzung des Gewebes zwischen Scheidenöffnung und Anus veränderte ihr ganzes Leben auf einen Schlag.

Denn: Die Schwere des Risses und das Ausmass der Verletzung seien von den Ärzten übersehen worden, wie Prance der «Daily Mail» erzählt. Dies hatte dramatische Folgen. Prance begann, unter starker Harninkontinenz und enormen Beckenschmerzen zu leiden. 

Die junge Mutter fühlte sich nicht mehr wie sie selbst. «Mein Alltag war davon diktiert, Zugang zu Toiletten zu suchen.» Nicht nur ihr Baby brauchte Windeln, auch für sich selbst hatte die junge Mutter immer einige dabei. «Auf dem Schulweg meines Sohnes musste ich ständig anhalten», erklärt sie weiter. Auf ihrer Arbeit habe sie teilweise nichts gegessen oder getrunken – aus Angst, es ansonsten nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette zu schaffen. Die Inkontinenz befiel jeden Bereich ihres Lebens. 

«Es war ein zermürbender Weg»

Zusätzlich zur Inkontinenz erlitt Prance einen Beckenorganprolaps. Dazu kommt es, wenn die Organe, die sich im Becken befinden, aus ihrer normalen Position heraus nach unten rutschen und dort auf das Gewebe drücken, das die Vagina umgibt.

Obwohl die Mutter überglücklich war, einen gesunden Sohn zur Welt gebracht zu haben, war der persönliche Tribut, den Geburt und Verletzungen forderten, immens. «Ich habe zahlreiche Medikamente und Behandlungen ausprobiert.» In den vergangenen 20 Jahren unterzog sich Prance insgesamt 19 Operationen. Schliesslich benötigte sie sogar einen künstlichen Darmausgang, um die Inkontinenz im Griff zu halten. «Es war ein zermürbender Weg – körperlich anstrengend und psychisch herausfordernd», sagt sie. «Mein Körper war ein einziges Chaos.» Der künstliche Darmausgang hat der 48-Jährigen schliesslich «ihre Freiheit» zurückgegeben. 

500'000 Menschen schweizweit betroffen

Nun geht Prance mit dem Thema an die Öffentlichkeit. Ihr Ziel: Das Stigma von Inkontinenz zu brechen, denn diese betrifft mehr Menschen, als man denkt. In der Schweiz sind es laut der Schweizerischen Gesellschaft für Blasenschwäche rund eine halbe Million Menschen. Doch die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. 

Besonders Mütter leiden durch Schwangerschaft und Geburten häufig daran. Denn: Beckenbodenmuskulatur und Schliessmuskel werden durch die körperlichen Veränderungen geschwächt. Es sei ihr wichtig, ihre Geschichte zu erzählen, um das Bewusstsein fürs Thema Inkontinenz zu schärfen. «Denn Menschen sprechen einfach nicht über diese Dinge. Ich möchte nicht, dass sich Betroffene verstecken müssen.» 

Das kannst du gegen Blasenschwäche tun

Prance möchte noch mal neu starten.«Mit dem Beckenbodentraining, das ich jetzt mache, versuche ich, die Notwendigkeit weiterer Operationen in Zukunft zu verhindern.» Die 48-Jährige nutzt zudem Femfit, ein Beckenbodentrainingsgerät des Unternehmens Junofem. Der Sensor, bestehend aus Silikon, kann die Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur visualisieren und hilft bei den Übungen. Während einer Übung wird es vaginal eingeführt. 

Um die Schwächung der Beckenbodenmuskulatur abzumildern, können Betroffene selbst aktiv werden, wie auch das Kontinenzzentrum Hirslanden Zürich auf seiner Website erklärt. «Es gibt einige Massnahmen, die Patienten selbst ergreifen können, um einer Inkontinenz oder deren Verschlimmerung vorzubeugen sowie ihre Symptome zu lindern», heisst es. Die Massnahmen beinhalten:

  • Betroffene sollen auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten – ungefähr zwei Liter am Tag. Saure Fruchtsäfte und Cranbarryprodukte unterstützen die Blasenfunktion
  • Koffein und Alkohol sollten vermieden werden. Da Übergewicht den Druck auf die Bauchhöhle erhöht, sollte zudem auf eine gesunde Ernährung geachtet werden
  • Baue jeden Tag ein kleines Beckenbodentraining ein, um die Muskulatur zu stärken.

Das Universitätsspital Zürich schlägt folgende Übung für zu Hause vor: 

Setze dich sich entspannt auf einen Stuhl, atme durch die Nase ein und durch den Mund aus. Bei der Einatmung entspanne deinen Beckenboden bewusst, bei der Ausatmung verschliesse die Harnröhre und den After. Halte die Spannung während der gesamten Ausatmung ca. fünf bis acht Sekunden. Wiederhole die Übung zehnmal, mache dann eine Minute Pause.

Das können Arzt oder Ärztin bei Inkontinenz tun

Ursachensuche

Im Vorgespräch sucht der Arzt Ursachen: Unfälle oder Geburt eines Kindes, Fehler bei einer früheren Darmoperation, zu dünner Stuhl (z. B. wegen Allergie, Diabetes)

Muskelstärke-Test

Per Finger-Untersuchung prüft die Ärztin, wie stark der Schliessmuskel ist. Kann der Patient ihn ausreichend an- und entspannen? Ist er gerissen oder geschädigt, näht sie diesen operativ.

Ernährung

Bei zu flüssigem Stuhl oder abrupten Entleerungen nach Verstopfung rät der Arzt zu einer ballaststoffreicheren Ernährung – oder stellt eventuell Medikamente um.

Biofeedback

Manche Patienten müssen lernen, die Muskeln ihres Beckens anzusteuern. Sie üben mit einer Sonde im Enddarm – auf einem Monitor werden die jeweils aktiven Muskeln angezeigt.

Neurostimulation

Ein elektrischer Impulsgeber, der die Beckenmuskulatur anregt, kann allein helfen – oder eine Schliessmuskel-Operation ergänzen.

Hilfe

Ein Gespräch mit der Hausärztin oder einem Spezialisten; und die Schweizerische Gesellschaft für Blasenschwäche: inkontinex.ch

Ursachensuche

Im Vorgespräch sucht der Arzt Ursachen: Unfälle oder Geburt eines Kindes, Fehler bei einer früheren Darmoperation, zu dünner Stuhl (z. B. wegen Allergie, Diabetes)

Muskelstärke-Test

Per Finger-Untersuchung prüft die Ärztin, wie stark der Schliessmuskel ist. Kann der Patient ihn ausreichend an- und entspannen? Ist er gerissen oder geschädigt, näht sie diesen operativ.

Ernährung

Bei zu flüssigem Stuhl oder abrupten Entleerungen nach Verstopfung rät der Arzt zu einer ballaststoffreicheren Ernährung – oder stellt eventuell Medikamente um.

Biofeedback

Manche Patienten müssen lernen, die Muskeln ihres Beckens anzusteuern. Sie üben mit einer Sonde im Enddarm – auf einem Monitor werden die jeweils aktiven Muskeln angezeigt.

Neurostimulation

Ein elektrischer Impulsgeber, der die Beckenmuskulatur anregt, kann allein helfen – oder eine Schliessmuskel-Operation ergänzen.

Hilfe

Ein Gespräch mit der Hausärztin oder einem Spezialisten; und die Schweizerische Gesellschaft für Blasenschwäche: inkontinex.ch

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