Die Kalifornier wussten es schon immer: Aus diesem Gavin Newsom (55) wird einmal etwas Grosses. Bisher führten seine Stationen über Bürgermeister von San Francisco zum Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien. Der nächste Schritt dürfte Präsident der Vereinigten Staaten sein. Wenn nicht als kurzfristigen Ersatz für den immer öfter verwirrt wirkenden Joe Biden (80), dann sicher bei den Wahlen 2028.
Vinz Koller (60), 1986 von Schaffhausen nach Kalifornien ausgewandert und schon dreimal Elector der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahlen, kennt diesen Politiker, dem eine grosse Zukunft vorausgesagt wird. «Ich habe ihn das erste Mal getroffen, als ich 2007 Parteipräsident der Demokraten im Monterey County wurde und ihn zu unserem Gala-Abend einlud», erzählt uns Koller. Auch bei weiteren Parteianlässen hätten sie sich immer wieder begrüsst.
Hoffnungsträger der Demokraten
Vor allem den TV-Leuten und den jungen Frauen habe der telegene Newsom Eindruck gemacht. «Viele kamen nicht wegen seiner Politik an unsere Veranstaltungen, sondern wegen seiner Ausstrahlung», sagt Koller. «Er rockte mit seiner Power die Bühne. Neben der heutigen Vize-Präsidenten Kamala Harris gehört er zu den grossen Stars in Kalifornien.»
Bietet Republikanern die Stirn
Anfangs wusste Koller nicht, ob Newsom nur als «Pretty Boy» Punkte sammelte. «Ich war aber überrascht, welche Substanz und welches Format er hat.» Er trete unerschrocken – auch mit teils aufsehenerregenden Werbevideos – gegen die Republikaner auf und scheue sich nicht, heisse Eisen anzupacken.
So steht er, der 2004 als Bürgermeister von San Francisco die Ehe für Homosexuelle erlaubte, für die LGBTQ-Rechte ein, für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, für eine allgemeine Krankenversicherung, für die Legalisierung von Marihuana, für strenge Waffengesetze und für mehr Rechte für Migranten. Und für einen möglichen Präsidentschaftskandidaten ganz wichtig: Er kann Wahlkampfgelder generieren.
Wegen seiner liberalen Haltung ist Newsom bei den Republikanern ein rotes Tuch. 2021 versuchten diese, ihn per Abwahlverfahren von seinem Posten als Gouverneur von Kalifornien zu vertreiben. Die Aktion erlitt aber massiven Schiffbruch: Bei der Recallwahl stimmte die Mehrheit der Wähler für einen Verbleib im Amt. Auch bei den folgenden, regulären Gouverneurswahlen setzte sich Newsom klar gegen den republikanischen Staatssenator Brian Dahle (57) durch.
Starker Mann mit Schwächen
Der Strahlemann hat allerdings auch Tolggen in seinem Reinheft: 2007 gestand er, Alkoholiker zu sein, und liess sich darauf offenbar erfolgreich behandeln. Während Corona geriet er in die Kritik, weil er Wasser predigte und selber Wein trank. So wurde er, der strikte Massnahmen auferlegt hatte, an einer Geburtstagsfeier in einem Luxusrestaurant erwischt. Er stritt dies zuerst ab, bis Bilder vom Anlass veröffentlicht wurden.
Der katholische, irisch-stämmige Newsom hat trotz Legasthenie sein Studium in Politwissenschaften bewältigt. In seinem Buch «Citizenville» schreibt er, sich bis heute auf Hörbücher und mündliche Zusammenfassungen stützen zu müssen. 2008 heiratete er Schauspielerin Jennifer Siebel (49), mit der er vier Kinder hat. Vorher war er mit TV-Moderatorin Kimberly Guilfoyle (54) verheiratet. Diese hat eine enge Verbindung zu Donald Trump (77): Sie arbeitete für Trumps Haussender Fox und ist seit 2018 mit Trumps Sohn Donald Jr. (45) liiert.
Kandidatur wohl erst für 2028
Was, wenn Biden als mächtigster Mann der Welt weiterhin den Faden verliert und wirre Auftritte hinlegt? Für verschiedene US-Medien steht fest, dass Newsom in die Bresche springen würde. Auch Koller ist davon überzeugt, dass dieser das Zeug zum Präsidenten hat. Allerdings glaubt er erst 2028 an eine Kandidatur, weil Newsom 2024 der amtierenden Vize-Präsidentin Kamala Harris (58) den Vortritt lassen würde.
Ob die Demokraten jedoch im Falle eines Rücktritts Bidens wirklich Kamala Harris gegen einen Republikaner – vermutlich Donald Trump – antreten lassen würden, ist fraglich. Die Vizepräsidentin kann bisher nur einen dünnen Leistungsausweis vorzeigen. Newsom reist zurzeit durch die USA, um für Biden die Werbetrommel zu rühren. Er dürfte aber auch ein weiteres Ziel haben: Eigenwerbung, um sich früher oder später selber in Stellung zu bringen.