Jetzt wird es selbst seinen engsten Mitarbeitenden zu bunt: Beim jüngsten Auftritt von US-Präsident Joe Biden (80) in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi zog sein Team die Notbremse. Mitten in einem Stammelsatz über die Rolle der «dritten Welt» schaltete Bidens Sprecherin dem Präsidenten das Mikrofon ab und liess laute Jazz-Musik über die Boxen laufen. Gute Nacht, Vietnam!
Dem abrupten Abbruch voraus ging ein 25-minütiges Gestammel gespickt mit lauter Momenten, auf die selbst wohlgesinnte Zuschauer nur mit Mitleid für den verwirrt wirkenden älteren Mann reagieren konnten.
Hanoi bringt die demokratische Hälfte des Landes mächtig ins Schwitzen. Biden will seinen Job behalten – bis 86! Doch ein neues Gesicht, das im amerikanischen Politzirkus aufgetaucht ist, lässt die Demokraten jetzt wieder von Aufbruch träumen.
Demokrat mit familiärer Verbindung zu Trump
Gavin Newsom (55), der Gouverneur von Kalifornien (und damit Regierungschef in einem Bundesstaat mit grösserer Wirtschaftsleistung als Grossbritannien oder Frankreich), lächelt in auffällig vielen Interviews auf allen möglichen TV-Sendern in die Kameras.
Zwar betont der Ex-Bürgermeister von San Francisco und einstige Wein-Grosshändler unermüdlich, er werde Biden nicht in den Rücken fallen. Die Signale, die der telegene 1,91-Meter-Hüne mit dem schneeweissen Lächeln und den kämpferischen Phrasen aber aussendet, sind unmissverständlich: Ich wäre hier, wenn ihr mich denn bräuchtet.
Newsom – Vater von vier Kindern und Ex-Mann von Kimberly Guilfoyle (54), der aktuellen Verlobten von Donald Trumps (77) ältestem Sohn Donald Junior (45) – gehört landesweit zwar längst nicht zu den beliebtesten Demokraten. Seine auffällige Härte bei der Umsetzung der Corona-Massnahmen, die hohen Benzinpreise und das wachsende Obdachlosen-Problem in seinem Heimatstaat sorgen für Kritik.
Die Schreckmomente der alten Garde häufen sich
Doch Newsom arbeitet mit Hochdruck an einer Korrektur seines Images. Jüngst forderte er den republikanischen Präsidentschaftskandidaten und Florida-Gouverneur Ron DeSantis (45) zu einem Fernseh-Duell heraus (DeSantis sagte zu, über das Datum wird noch verhandelt) und erwähnt in seinen Interviews regelmässig die politischen Probleme in letztlich matchentscheidenden Wechselwählerstaaten wie Wisconsin oder Ohio.
Die Zahlen sprechen für einen wie Newsom. Zwei Drittel der Demokraten wollen nicht, dass Biden ihr Kandidat wird. Mehr als die Hälfte sagt, man brauche ein jüngeres Gesicht. Die peinlichen Auftritte von alternden amerikanischen Politikern in den vergangenen Wochen haben diesen Wunsch nur noch verstärkt: Man denke an die Aussetzer des republikanischen Senators Mitch McConnell (81) oder an die Demokratin Dianne Feinstein (90), die sich im Senat von ihren Mitarbeitern jeweils einflüstern lassen muss, wie sie stimmen soll.
Newsom würde laut einer aktuellen Umfrage in den Präsidentschaftswahlen sowohl gegen Trump als auch gegen DeSantis gewinnen. Er weiss das. Und spätestens 2028 wird er es ganz offiziell versuchen.
Showdown in Chicago
Vielleicht aber erfüllen sich die kalifornischen Träume schon sehr viel früher – selbst, wenn Newsoms Treue zu Biden ernst gemeint ist. Wenn Biden nach dem ganzen Vorwahl-Zirkus im nächsten Sommer aus welchen Gründen auch immer den Hut zöge, dann hätten die demokratischen Würdenträger beim Parteitag in Chicago Mitte August freie Hand, einen neuen Kandidaten aufzustellen.
Mit Ronald Reagan (†2004) hat es 1980 schon einmal ein kamera-vernarrter Gouverneur aus Kalifornien ins Weisse Haus geschafft. Der Morgen sei wieder angebrochen in Amerika, verkündete der Republikaner Reagan vier Jahre nach seiner Wahl. 2023 warten die Demokraten sehnlichst auf ihren eigenen Morgen. Ganz besonders nach Bidens vietnamesischer Nacht.