Im Fall des Gondel-Dramas von Stresa (I) überschlagen sich die Ereignisse. Nach dem Absturz am Pfingstsonntag, bei dem 14 Menschen ums Leben kamen, hatte die Staatsanwaltschaft in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Direktor, den verantwortlichen Wartungstechniker und den Technischen Leiter der Seilbahn festnehmen lassen.
Drei Tage später veranlasste Untersuchungsrichterin Donatella Banci Buonamici (56) deren Entlassung aus der U-Haft. Dünne Indizienlage, keine Fluchtgefahr, so die Begründung der Richterin. Geschäftsführer Luigi N.* (56) und Ingenieur Enrico P.* (51) waren fortan frei und unbescholtene Bürger. Nur der Technische Leiter Gabriele T.* (63) musste in den Hausarrest (Blick berichtete).
Kein Knast also für jene Männer, unter deren Aufsicht die Notbremse absichtlich deaktiviert worden war – um Kosten zu sparen! Als das Zugseil an jenem Schicksalstag riss, raste die Gondel somit ungebremst talwärts, wurde vom Tragseil geschleudert, stürzte 54 Meter in die Tiefe und zerschellte am Boden. Die Passagiere hatten keine Chance. 14 Menschen starben, nur ein kleiner Bub (5) überlebte den Horror-Crash.
Untersuchungsrichterin hätte Fall nicht übernehmen dürfen
Staatsanwaltschaft, Öffentlichkeit und Angehörige der Opfer reagierten auf die Entlassung der Hauptverdächtigen mit Empörung und Entsetzen. Auch die Medien hinterfragten die richterliche Entscheidung. Offenbar zeigt der Widerstand Wirkung. Denn Richterin Donatella Banci Buonamici (56) muss den Fall unverzüglich an eine Kollegin abgeben. Das hat der Gerichtspräsident Luigi Montefusco (64) am Montag angeordnet. Offizieller Grund: Formfehler. Eins zu null für die Staatsanwaltschaft.
Es kommt noch dicker: Donatella Banci Buonamici hätte den Fall gar nicht erst annehmen dürfen. Als Koordinatorin sämtlicher Untersuchungsverfahren am Gericht von Verbania sollte sie die Untersuchung eigentlich der zuständigen Kollegin zuweisen. Doch sie griff sich den Fall selber – und verfügte sogleich die Freilassung der Hauptverdächtigen. Eine Entscheidung, die sie womöglich von vornherein gar nicht hätte treffen dürfen.
Das Gondel-Drama am Lago Maggiore
Verteidiger des Hauptbeschuldigten beantragt vorzeitige Beweissicherung
Als der Verteidiger des Beschuldigten Gabriele T.* am 3. Juni 2021 auch noch die vorzeitige Beweissicherung beantragte, zog der Präsident offenbar die Notbremse. Eine solche Massnahme hätte unter anderem bedeutet, die zerstörte Gondel unverzüglich vom Berg zu holen. Der aufwendige Abtransport erfordert möglicherweise die Zerlegung der Kabine und könnte leicht Beweismaterial zerstören. Das zumindest befürchtet die Staatsanwältin. So forderte sie, den Antrag der Verteidigung abzulehnen.
Donatella Banci Buonamici kann der Staatsanwaltschaft nicht mehr dazwischenfunken. Die Entscheidungen trifft nun eine andere Richterin.
So könnte es durchaus wieder ungemütlich werden für die drei von der Seilbahn. Die neue Richterin Elena Ceriotti kann jederzeit die Entlassung aus der U-Haft widerrufen und neuen Haftbefehlen zustimmen.
* Namen bekannt