Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow (55) hat der russischen Armee ein Massaker an Zivilisten in dem ukrainischen Ort Butscha vorgeworfen und mit Vergeltung gedroht. «So etwas Böses darf nicht ungestraft bleiben», sagte er am Montag in Kiew. «Unsere Aufklärung identifiziert systematisch alle Eindringlinge und Mörder. Alle! Jeder wird zu seiner Zeit bekommen, was er verdient hat», hiess es in der auf Facebook veröffentlichten Mitteilung.
Die Bilder aus dem Kiewer Vorort mit Leichen auf den Strassen sorgen seit Sonntag international für Empörung. Resnikow machte die russischen Einheiten verantwortlich, die den Ort wochenlang besetzt gehalten hatten. Er verglich ihr Vorgehen mit dem der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) in der Ukraine im Zweiten Weltkrieg.
Er zog auch eine Parallele zum Bürgerkrieg in Jugoslawien: In Butscha seien mehr Menschen getötet worden als in Vukovar. 1991 waren in der kroatischen Stadt Vukovar mehr als 350 Zivilisten und Kriegsgefangene von serbischen Kräften und der jugoslawischen Armee ermordet worden.
EU will rasch neue Sanktionen verhängen
In Butscha seien bislang etwa 340 Leichen gefunden worden, berichtete die «Ukrajinska Prawda» unter Berufung auf örtliche Bestattungsunternehmen. Russland streitet Gräueltaten gegen die dortige Zivilbevölkerung ab und spricht von ukrainischen Fälschungen.
Der ukrainische Verteidigungsminister lobte Generalstabschef Waleri Saluschni (48) und alle Offiziere und Soldaten, die dazu beigetragen hätten, den Gegner aus dem Umland von Kiew zu vertreiben. In den östlichen Gebieten Charkiw, Luhansk und Donezk werde weiter heftig gekämpft.
Nach der Entdeckung Hunderter toter Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha will die Europäische Union möglichst rasch neue Sanktionen gegen Russland verhängen. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell (74) verurteilte am Montag in Brüssel «auf das Schärfste die Gräueltaten, die russische Streitkräfte laut Berichten in einer Reihe von besetzten ukrainischen Städten begangen haben».
EU unterstützt den Internationalen Strafgerichtshof
Die EU werde deshalb «dringend die Arbeit an weiteren Sanktionen gegen Russland vorantreiben», erklärte Borrell weiter. Brüsseler Diplomaten zufolge will die EU-Kommission in Kürze einen Vorschlag für verschärfte Strafmassnahmen machen.
«Die Massaker in der Stadt Butscha und anderen ukrainischen Städten werden in die Liste der auf europäischem Boden begangenen Gräueltaten aufgenommen», betonte der EU-Aussenbeauftragte. Um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, unterstütze die EU die Ukraine bei ihren Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen, aber auch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sowie die Uno.
Polen macht Deutschland Vorwürfe
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki (53) rief mit Blick auf die getöteten Zivilisten in Butscha zu «klaren und entschlossenen» Sanktionen gegen Russland auf. Die Bundesregierung sei derzeit «das Haupthindernis für sehr starke Sanktionen», sagte Morawiecki.
An Kanzler Olaf Scholz (63) gerichtet, fügte er hinzu: «Es sind nicht die Stimmen der deutschen Wirtschaftsführer, der deutschen Milliardäre, die Sie wahrscheinlich davon abhalten zu handeln, denen heute in Berlin Gehör geschenkt werden sollten, sondern die Stimmen dieser unschuldigen Frauen und Kinder.» Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner (55) lehnte eine Stellungnahme zu den Vorwürfen aus Warschau ab. «Das möchte ich nicht kommentieren», sagte er.
Scholz' Vorgängerin Angela Merkel (67) warf der polnische Regierungschef eine verfehlte Russland-Politik vor, die dazu geführt habe, «dass Russland heute ein Monopol auf den Verkauf von Rohstoffen hat». Zudem warf er ihr vor, dass sie seit «seit Beginn des Krieges geschwiegen» habe.
Morawiecki kritisierte ausserdem den französischen Präsidenten Emmanuel Macron (44), der in den vergangenen Wochen mehrmals mit Kreml-Chef Wladimir Putin (69) telefoniert hatte. Er sagte: «Wie oft haben Sie mit Putin verhandelt und was haben Sie erreicht? Man debattiert und verhandelt nicht mit Kriminellen. Kriminelle müssen bekämpft werden.» (SDA/AFP/jmh)