Sonntag, Ryanair-Flug FR4978 auf dem Weg von Athen nach Vilnius. Kurz vor der litauischen Grenze wird das Flugzeug zur Kursänderung gezwungen. Angeblich eine Bombendrohung. Ein belarussischer Kampfjet vom Typ MiG-29 steigt auf und leitet FR4978 «aus Sicherheitsgründen» an den Flughafen der Hauptstadt Minsk – obwohl das eigentliche Reiseziel viel näher liegt.
Was anfangs aussieht wie ein Rettungsmanöver entpuppt sich als Flugzeugentführung. In Minsk verhaften die belarussischen Behörden den Aktivisten und Journalisten Roman Protasewitsch (26), der sich unter den Passagieren befindet: ein Kritiker von Belarus-Diktator Alexander Lukaschenko (66).
An Bord der gekaperten Maschine ist auch eine Influencerin, die sich auf Instagram «raselle_gr» nennt. In einer Story hat sie den Vorfall festgehalten – ihre Videos zeigen, was in Minsk offenbar geschah.
Protasewitsch flehte: «Macht das nicht»
«raselle_gr» schreibt, der ins Exil geflohene belarussische Aktivist habe einem Steward gesagt: «Macht das nicht. Sie werden mich töten. Ich bin ein Flüchtling.»
Der habe geantwortet: «Wir müssen, wir haben keine Wahl, das ist Vorschrift von Ryanair.» Es ist unklar, ob sich die Aussagen auf die Landung und Durchsuchung des Flugzeugs oder weitere Weisungen in Minsk bezieht.
In der Instagram-Story ist zu sehen, wie Sicherheitspersonal des Flughafens das Flugzeug in Empfang nimmt. «Ryanair akzeptiert, entführt zu werden», schreibt die Instagramerin trocken dazu.
Die Videos zeigen, dass die Passagiere offenbar alle aussteigen mussten und zum Flughafen-Gebäude gefahren wurden. Mit Spürhunden wurde ihr Handgepäck davor offenbar untersucht.
Belarus behauptet, Festnahme sei Zufall
«Ryanair, ich möchte wissen, wer für dieses Chaos verantwortlich ist», schreibt «raselle_gr» und schimpft: «Wir wurden in Minsk wie Gefangene behandelt» Weitere Augenzeugenberichte bestätigen die Schilderung.
Die belarussischen Behörden behaupten, das Flugzeug sei wegen der Bombendrohung gelandet – die spätere Verhaftung von Lukaschenko-Feind Roman Protasewitsch reiner Zufall.
Doch für Protasewitsch war früh klar, dass die Bombendrohung vermutlich fingiert war. Augenzeugen berichten, dass er bereits im Flugzeug persönliche Sachen an seine Freundin übergeben habe.
Ein letztes Foto von «raselle_gr» zeigt Protasewitsch im Transfer-Bus: «Er wusste, das ist das Ende. Sie haben ihn ausgehändigt.»