Showdown zwischen Amerika und Russland in Genf
Biden hat sich intensiv auf Taktierer Putin vorbereitet

US-Präsident Biden will dem russischen Präsidenten Putin in Genf keine Plattform bieten. Biden liess sich daher von Verbündeten und engsten Mitarbeitern intensiv für das Gipfeltreffen coachen. Auf einen gemeinsamen Presseauftritt mit Putin soll er offenbar verzichten.
Publiziert: 15.06.2021 um 01:17 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2021 um 10:34 Uhr
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US-Präsident Joe Biden vor der Ankunft in der Schweiz beim Nato-Gipfel in Brüssel: Alle Nato-Führer hätten ihm gedankt für das Treffen mit Putin.
Foto: Keystone
Daniel Kestenholz

US-Präsident Joe Biden (78) hat seine Europatournee seit Mittwoch auch intensiv dazu genutzt, sich auf das Gipfeltreffen mit seinem russischen Gegenüber Wladimir Putin (68) vorzubereiten. Biden, so heisst es aus dem Umfeld des US-Präsidenten, wolle die Fallstricke vermeiden, in denen sich seine Vorgänger bei Showdowns mit Russlands starkem Mann verfingen.

Am Mittwoch werden beim Genfer Gipfel zwei Gesprächsrunden zwischen Biden und Putin geführt – eine im engen Kreis, eine mit erweiterten Mitarbeiterstäben. Biden werde gegenüber Putin «einige ziemlich harte Botschaften» übermitteln, wie der britische Premier Boris Johnson (56) nach seinen Gesprächen mit dem US-Präsidenten ankündigte. Auch dies ein Hinweis darauf, dass sich Biden und Johnson in den letzten Tagen intensiv über Putin austauschten.

Wie aus Weisse-Haus-Kreisen verlautet, habe Biden am Rande der Gipfeltreffen auf seiner Europareise jede freie Minute für Beratungen mit seinem engsten Mitarbeiterstab und hochrangigen Regierungsmitgliedern genutzt, darunter Aussenminister Antony Blinken (59) und Jake Sullivan (44), seinem nationalen Sicherheitsberater.

Insider-Tipps von Weltführern

Daneben hat der US-Präsident auch G7-Staats- und Regierungschefs um Rat gefragt, die mit Putin bereits Gespräche geführt haben, um sich auf das Treffen in Genf vorzubereiten. Besonders Johnson und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) sollen ihm wertvolle Hinweise bezüglich Gesprächstaktik und Verhalten gegeben haben.

Putin soll sogar während Bidens Tee mit Königin Elizabeth II. (95) auf Schloss Windsor zur Sprache gekommen sein. Die Queen hatte Putin bereits im Juni 2003 bei einem Staatsbesuch in Grossbritannien empfangen, doch sie wolle «mehr wissen» über den russischen Präsidenten, wie Biden vor Journalisten sagte.

Biden wird Putin mit der kompletten Unterstützung und Solidarität aller Nato-Mitglieder gegenübersitzen: «Jeder Weltführer, der Mitglied der Nato ist, hat mir gedankt, dass ich mich jetzt mit Putin treffe», sagte Biden am Montag am Rande des Nato-Gipfels in Brüssel. «Jeder einzelne.» Sie hätten ihm dafür gedankt, dass er bereit sei, Putin zu treffen und mit ihm auch heisse Eisen anzufassen.

Biden plant keine Pressekonferenz

«Er ist übervorbereitet!», hatte Bidens Ehefrau Jill (70) letzte Woche gerufen, als sie gefragt wurde, ob ihr Mann für sein Treffen mit Putin gerüstet sei. Biden ist demnach auf Putins übliche Taktik und seine Gewohnheiten vorbereitet, den Spiess bei Diskussionen über Russlands schlechte Praktiken umzudrehen und im Gegenzug die Vereinigten Staaten zu beschuldigen.

Laut CNN plane Biden nicht, eine gemeinsame Pressekonferenz mit Putin nach dem Gipfel abzuhalten. Demnach habe Russland auf eine gemeinsame Pressekonferenz gedrängt, doch die Amerikaner winken ab. Sie wollen Putin keine Plattform wie nach seinem Helsinki-Gipfel im Juli 2018 mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump (75) geben. Die beiden Präsidenten äusserten sich damals zur angeblichen Einmischung Russlands bei den US-Wahlen 2016. Trump stellte sich hinter Putin. Er glaube eher dem russischen Präsidenten als seinen eigenen Geheimdiensten.

Biden wünscht nach eigenen Worten auch keinen offenen Schlagabtausch vor laufenden Kameras. Am Sonntag erklärte er, der Gipfel sei «kein Wettbewerb darüber, wer sich bei einer Pressekonferenz besser schlägt oder besser darin ist, sich gegenseitig in Verlegenheit zu bringen».

Breite Gesprächspalette

Die Themenpalette, die Biden mit Putin ansprechen will, reicht von Cyberattacken über Syrien bis zur Ukraine. Auch Afghanistan, das Iran-Atomabkommen und das Nukleararsenal beider Staaten sollen zur Sprache kommen. Die gegenseitigen Beziehungen befinden sich auf dem tiefsten Punkt seit Jahren, wie beide Präsidenten eben einräumten. In Genf wird kein dramatischer Durchbruch erwartet, doch dass eine Grundlinie gesetzt und Kommunikation zwischen Moskau und Washington verbessert wird.

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