Mit Raketen, Drohnen und durch heftigen Artilleriebeschuss versucht Russland, die Ukraine einzufrieren. Mit gezielten Attacken auf die kritische Infrastruktur will Russlands Präsident Wladimir Putin (70) die ukrainische Bevölkerung in Dunkelheit hüllen und frieren lassen.
Auch Mychajlo Podoljak (50), Top-Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44), stellt seine Landsleute im exklusiven Interview mit Blick auf schwere Monate ein. «Wir stehen vor dem härtesten Winter der Geschichte», sagt Podoljak. «Die ukrainische Regierung wird alles tun, was notwendig ist, um das Überleben in der Ukraine zu sichern, und zwar so effizient wie möglich. Noch gibt es keinen Trend, dass die Regierung die Ukrainer auffordert, ins Ausland zu gehen.»
Einschüchterung von Russland
Derzeit seien zwischen 30 und 40 Prozent der Energie-Infrastruktur beschädigt oder zerstört. Die Reparaturarbeiten würden rund um die Uhr laufen. «Wir suchen in der Zwischenzeit nach Möglichkeiten, Strom aus Partnerländern zu importieren. Wir versuchen, Strom von einer Region in die andere zu leiten», sagt Podoljak. Und er verrät: Manche der Menschen müssten auch umziehen. «Die lokalen Behörden fordern die Menschen auf, in Dörfer umzuziehen, in denen es einfacher ist, mit Brennholz zu heizen.»
Russland hoffe, durch den Beschuss der Energie-Infrastruktur die ukrainische Bevölkerung einzuschüchtern und lebensfeindliche Bedingungen herzustellen. «Sie wollen versuchen, ein paar Millionen der Ukrainer nach Europa zu treiben und für Chaos zu sorgen. Nur darum attackieren die Russen unsere Energie-Infrastruktur», sagt der Präsidentenberater.
Eine Gefechtspause zwischen der Ukraine und Russland sei allerdings keine Option. «Wir haben kein Interesse daran, diesen Krieg in die Länge zu ziehen. Stattdessen wollen wir so schnell wie möglich so viele Gebiete wie möglich befreien.» Aufgrund der zusätzlichen Mobilisierung werde das Vorankommen schwieriger. «Die zusätzlichen Kräfte Russlands werden unsere Artillerie vor Schwierigkeiten stellen. Aber wir werden vorankommen», ist er überzeugt.
«Verhältnis leidet nicht»
Daran ändere auch der Raketenabsturz über Polen nichts. Präsident Selenski beharrt noch immer darauf, dass russische Raketen in Polen eingeschlagen haben. Die Nato reagiert genervt. Berater Podoljak sagt nun: «Es kann sich sowohl um russische als auch ukrainische Raketen handeln. Wir müssen den Vorfall genau untersuchen.»
Die Befreiung der Stadt Cherson sei ein wichtiger Erfolg im Kriegsverlauf. «Aber derzeit gibt es keinen Strom, kein Wasser und keine Heizungen in der ganzen Stadt», sagt der Präsidentenberater. «Grosse Gebiete sind vermint, wir haben sogar in der Kanalisation Minen gefunden. So gesehen ist Cherson wirklich eine Stadt des Todes. Wir arbeiten an der Wiederherstellung der Elektrizität und versuchen, Kollaborateure der russischen Armee aufzuspüren.»
Podoljak zeigt sich zuversichtlich: «Ich denke nicht, dass das Verhältnis zwischen der Ukraine und der Nato leidet. Wir alle wissen, wer für den Krieg verantwortlich ist. Daher gibt es keinen Raum für Missverständnisse.»