Selbst Experten im eigenen Land kritisieren Zulassungsfahrplan
Indien will im August mit Corona-Impfung starten

Wie ist das möglich? Die Indische Firma Bharat Biotech hat am Dienstag mit den klinischen Tests eines Corona-Impfstoffs begonnen. Mitte August soll er dann auf dem Markt erscheinen. Doch im eigenen Land hagelt es an Kritik.
Publiziert: 08.07.2020 um 15:57 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2020 um 17:30 Uhr
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Wann kommt ein Corona-Impfstoff?
Foto: imago images

Auf nichts anderes wartet die Welt zurzeit wohl so sehnlichst wie auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus. Deshalb haben Forscher immer ambitioniertere Ziele. So kündigte der Berner Immunologe Martin Bachmann (52) im April einen Corona-Impfstoff schon für Oktober an.

Doch der Direktor des indischen Rates für medizinische Forschung (ICMR), Balram Bhargava, lehnt sich noch weiter aus dem Fenster: In einem öffentlich gewordenen Brief kündigte er an, schon seit Dienstag einen Impfstoff grossflächig an Menschen zu testen, um ihn dann bereits am 15. August (indischen Unabhängigkeitstag) auf den Markt zu bringen, wie die indische «Time of India» berichtet.

Bis zu 300 Millionen Dosen der Impfung pro Jahr

Für die Durchführung der klinischen Tests, also Phase I und Phase II, hat das indische Unternehmen Bharat Biotech grünes Licht von der Regierung erhalten. Die Tests sollen gerade mal rund sechs Wochen dauern.

Der Geschäftsführer von Bharat Biotech, Krishna Ella, erklärte der Nachrichtenagentur Reuters, dass man im Jahr bis zu 300 Millionen Dosen des Impfstoffes produzieren will, falls die klinischen Tests erfolgreich verlaufen.

Zeitplan scheint illusorisch

Doch der ambitionierte Fahrplan löst selbst im eigenen Land bei Experten Kopfschütteln aus: «Es ist schlicht unmöglich, die Phasen I bis III einer Covid-19-Impfung in Wochen zu komplettieren», sagt Kiran Mazumdar Shaw, die Chefin des indischen Biotech-Unternehmens Biocon.

Allerdings ist das Tempo bei der Corona-Pandemie anders. So befindet sich der Impfstoff von dem schwedischen Pharmaunternehmen Astra Zeneca und der Oxford Universität aktuell sogar schon in der dritten Phase der vorgeschriebenen Tests. Stand jetzt ist aber noch kein Corona-Impfstoff, für den kommerziellen Einsatz zugelassen.

Günstiges Remdesivir ähnliches Medikament für Corona-Patienten in Indien

Dass Indien auf einen Impfstoff drängt, liegt auf der Hand: Seit Montag hat das asiatische Land die drittmeisten Corona-Fällen weltweit. Insgesamt haben sich laut den Zahlen der Johns Hopkins Universität fast 750'000 Menschen infiziert. An den Folgen des Virus sind mehr als 20'000 gestorben.

Doch auch ohne Impfstoff gibt es Hoffnung für Covid-Patienten in Indien. Eine Nachahmung des Medikaments Remdesivir für umgerechnet 60 Franken pro 100-mg-Fläschchen wurde von der indischen Arzneimittelbehörde zugelassen. Dies ist laut dem Arzneimittelherstellers Mylan mehr als 80 Prozent weniger als der Preis des Originalmedikaments in entwickelten Ländern.

Um Remdesivir gab es kürzlich eine Kontroverse, weil die USA einen Grossteil des Vorrats des Medikamentes für die kommenden drei Monate reserviert haben. (sib/SDA)


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