Entsetzen in Frankreich: Ein mit einem Messer bewaffneter Mann hat am Donnerstag im ostfranzösischen Annecy vier Kleinkinder und einen Erwachsenen lebensgefährlich verletzt. Ein weiterer Erwachsener sei bei dem Angriff leicht verletzt worden, sagte Staatsanwältin Line Bonnet-Mathis (45) in Annecy.
Die Kinder aus Frankreich, Grossbritannien und den Niederlanden seien im Alter von 22 bis 36 Monaten. Es gebe «keine Hinweise auf ein terroristisches Motiv», sagt die Polizei. Sie nahm den Täter fest. Wie die Staatsanwaltschaft am Samstag mitteilte, wurde der Mann nun wegen versuchten Mordes angeklagt.
Deutscher Bub unter Verletzten
Der Angreifer verletzte mit einem etwa zehn Zentimeter langen Klappmesser insgesamt sechs Menschen. Daraufhin schwebten zwei Kinder und ein 70-Jähriger zunächst in Lebensgefahr. Erst am Samstag waren alle Opfer ausser Lebensgefahr.
Der Mann war kurz nach 9.30 Uhr auf einem Spielplatz am Lac d'Annecy auf die Kinder losgegangen. Augenzeugen berichteten, dass er auch auf zwei Kinder eingestochen habe, die sich in einem Doppel-Kinderwagen befanden. Auf einem Video ist zu hören, dass er zweimal auf Englisch «Im Namen Jesu» schrie.
Zu den Opfern zählten auch zwei Kinder von Touristen aus den Niederlanden und Grossbritannien. In Berichten der örtlichen Medien war zunächst von einem verletzten deutschen Kind die Rede gewesen, was aber offiziell nicht bestätigt wurde.
Asylantrag auch in der Schweiz
Laut dem französischen Innenminister Gérald Darmanin (40) halte sich der Täter erst seit wenigen Monaten in Frankreich auf. Zuvor habe der Syrer jahrelang in Schweden gelebt. Dort sei er auch als Flüchtling anerkannt gewesen. In Frankreich sei er ohne festen Wohnsitz gewesen. Für die europäischen Sicherheitsbehörden sei der Mann ein Unbekannter, es liege nichts zu ihm vor. Es gebe auch keine Hinweise auf eine psychiatrische Behandlung in der Vergangenheit.
Seine in den USA lebende Mutter sagte zu AFP, die Weigerung der schwedischen Behörden, ihm die Staatsbürgerschaft zu gewähren, habe «ihn wahrscheinlich aufgebracht». Nach Angaben seiner Familie habe der Täter zudem unter «schweren Depressionen» gelitten. Sie selbst habe vom psychischen Zustand ihres Sohnes nichts gewusst, sagte die Mutter. Erst ihre frühere Schwiegertochter habe ihr davon berichtet. «Sie sagte, dass es ihm nie gut gehe, er sei immer depressiv, mit düsteren Gedanken, er wolle das Haus nicht verlassen, er wolle nicht arbeiten.»
Darmanin sagte weiter, der Mann habe in den vergangenen Monaten in diversen Ländern einen erneuten Asylantrag gestellt – auch in der Schweiz soll ein solcher hängig sein. «Die Gründe sind für uns nicht erklärbar. Er hätte dies nicht tun müssen, da er seit zehn Jahren in Schweden Asyl hatte», so Darmanin gegenüber dem Fernsehsender TF1.
Kein terroristisches Motiv erkennbar
Der Angreifer werde zu seinen Beweggründen verhört werden. Noch sei das Motiv unklar. Auch um über das Profil des Täters zu sprechen, sei es zu früh. Die Staatsanwaltschaft ermittle wegen versuchten Mordes. Der 31-Jährige werde am Freitag einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen, wie Darmanin sagte.
Die laufenden Ermittlungen würden es ermöglichen, «das Motiv zu klären», sagte die Staatsanwältin Bonnet-Mathis am Donnerstag. Sie fügte hinzu, dass sie «in diesem Stadium eine sinnlose Tat nicht ausschliessen» könne. Sie betonte jedoch erneut, dass es «keine Hinweise auf eine terroristische Tat» gebe.
Ex-Frau des Täters ist fassunglos
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (45) schreibt auf Twitter: «Die Nation steht unter Schock.» Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (52, SPD) schrieb bei Twitter: «Was für eine unvorstellbar feige und verachtenswerte Tat. Wir sind in Gedanken bei den verletzten Kindern und ihren Familien. Wir hoffen sehr, dass sie wieder gesund werden.» Bundeskanzler Olaf Scholz (64) schrieb an Macron gerichtet: «Deutschland ist schockiert über diese unmenschliche und verachtenswerte Tat.»
Medienberichten zufolge soll der Mann in Schweden mit einer Frau verheiratet gewesen sein und ein dreijähriges Kind haben – seine Frau und er hätten sich kürzlich getrennt. Die in Schweden lebende Ex-Frau des Mannes reagierte laut eigener Schilderung fassungslos, als sie von dem Angriff erfuhr. «Ich weiss nicht, was mit ihm passiert ist. Es ist schrecklich», sagte sie der AFP. (AFP/SDA/noo/dzc)