Auf einen Blick
- Passagierflugzeug aus Aserbaidschan stürzte in Kasachstan ab
- Russische Behörden verweisen auf «schwierige Lage»
- Ukrainische Drohnen verunmöglichten Starts und Landungen
Die aserbaidschanische Regierung sprach am Freitag erstmals öffentlich von einem Waffeneinsatz gegen das in Kasachstan abgestürzte Passagierflugzeug. Nun meldet sich auch Russlands Präsident zu Wort.
«Die Ermittlungen werden klären, mit welcher Art Waffe die Einwirkung von aussen geschah», hatte Aserbaidschans Verkehrsminister Rashad Nabiyev (47) nach Angaben der staatlichen aserbaidschanischen Nachrichtenagentur Azertag in Baku gesagt. Schäden am Wrack und Zeugenaussagen legten nahe, dass das Flugzeug von aussen beschädigt worden sei. Dies sei über dem ursprünglichen Zielflughafen Grosny in Russland geschehen. «Demnach gab es ein Explosionsgeräusch aussen, und dann wurde das Flugzeug von etwas getroffen.»
Viele Fragen aus Baku an Moskau
Nach der Beschädigung sei das Flugzeug über den russischen Flughafen Machatschkala geflogen, sagte Minister Nabiyev. Ermittler müssten klären, ob dort eine Notlandung genehmigt oder abgelehnt werden sei. Zu klären sei auch, warum die GPS-Positionsbestimmung des Flugzeugs gestört worden sei.
Der Rosawiazija-Chef Jadrow sagte, den Piloten seien mehrere russische Ausweichflughäfen angeboten worden. Sie hätten aber über das Kaspische Meer nach Aktau in Kasachstan fliegen wollen. Aserbaidschanische Medien zogen diese Darstellung in Zweifel. Bei der versuchten Landung in Aktau stürzte die Maschine vom Typ Embraer 190 ab. Immerhin 29 Menschen überlebten, wenn auch viele nur mit schweren Verletzungen. In Aserbaidschan wurden am Freitag Opfer des Unglücks unter grosser öffentlicher Anteilnahme beigesetzt.
Situation war laut Russland «sehr kompliziert»
Nach Moskauer Angaben konnte das in Kasachstan abgestürzte Passagierflugzeug aus Aserbaidschan aus Sicherheitsgründen nicht an seinem Zielort in Grosny landen. Russlands Präsident Wladimir Putin (72) sprach am Samstag von einem «tragischen Vorfall» und entschuldigte sich im Rahmen eines Telefonats bei Aserbaidschans Machthaber Ilham Alijew (63). Putin drücke den Familien der Opfer sein Beileid aus, teilte der Pressedienst des Kremls mit.
«In dem Gespräch wurde festgestellt, dass die aserbaidschanische Passagiermaschine, die streng nach Zeitplan flog, wiederholt versuchte, auf dem Flughafen in Grosny zu landen. Zu diesem Zeitpunkt wurden Grosny, Mosdok und Wladikawkas von ukrainischen unbemannten Kampfflugzeugen angegriffen, und russische Luftverteidigungssysteme konnten diese Angriffe abwehren», hiess es in der Pressemitteilung weiter. Ob die Luftabwehr in Grosny auch das Flugzeug der Azerbaijan Airlines abschoss, wird aus der Erklärung nicht klar.
«Die Situation an diesem Tag und während dieser Stunden im Bereich des Flughafens von Grosny war sehr kompliziert», hatte der Chef der russischen Luftfahrtbehörde Rosawiazija, Dmitri Jadrow, zuvor erklärt. «Ukrainische Kampfdrohnen führten zu diesem Zeitpunkt terroristische Angriffe auf die zivile Infrastruktur in den Gebieten Grosny und Wladikawkas.»
Auch Selenski hat sein Beileid ausgedrückt
Demnach waren wegen der Gefahr durch die Drohnen keine Starts und Landungen in Grosny, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, erlaubt. Nach Darstellung Jadrows mussten alle Piloten in dem Zeitraum des Alarms den Luftraum verlassen.
Auf russischer Seite leitet Rosawiazija die Ermittlungen. Jadrow äusserte sich nicht dazu, ob die Maschine womöglich durch eine ukrainische Drohne oder den Einsatz einer russischen Flugabwehrrakete beschädigt wurde und dann abstürzte. Er sagte auch, dass in Grosny zu der Zeit dichter Nebel herrschte. Der Pilot der Maschine habe zwei Landeversuche unternommen – ohne Erfolg. Er sei dann Richtung Kasachstan abgedreht.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) schrieb seinerseits auf der Plattform X, er habe ebenfalls mit Aliyev gesprochen und sein Beileid ausgedrückt. Russland müsse Erklärungen geben und damit aufhören, Desinformationen zu verbreiten. Fotos und Videos zeigten eindeutig den Schaden am Flugzeugrumpf, der stark darauf hindeute, dass die Maschine von einer Flugabwehrrakete getroffen worden sei.
EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas (47) forderte etwa zeitgleich mit den Äusserungen aus Moskau eine rasche, unabhängige internationale Untersuchung. Berichte, dass russisches Feuer das Flugzeug der Azerbaijan Airlines verursacht haben könnte, erinnerten stark an den Flug MH17, schrieb die EU-Aussenbeauftragte auf der Plattform X. Die Boeing der Malaysia Airlines wurde am 17. Juli 2014 über dem Donbass-Gebiet von einer russischen Luftabwehrrakete abgeschossen. Alle 298 Menschen an Bord starben.
Erfolglose Landeversuche
Beim Landeversuch stürzte die aserbaidschanische Maschine vom Typ Embraer 190 am Mittwoch in der Nähe der kasachischen Stadt Aktau an der Küste des Kaspischen Meeres ab. 38 Menschen an Bord wurden getötet, es gab 29 Überlebende.
Wie die Aserbaidschan Airlines am Freitag via Telegram mitteilen, hätten «physische und technische Einwirkungen von aussen» den Crash verursacht. Fotos des Heckteils der Unglücksmaschine zeigen Schäden, die den Einschlaglöchern von Schrapnell aus Flugabwehrwaffen ähneln. Die Behörden in Aserbaidschan gehen davon aus, dass die Maschine von einer Boden-Luft-Rakete getroffen wurde.