Flugzeug stürzt in Aktau ab
0:24
Unfall in Kasachstan:Flugzeug stürzt in Aktau ab

Absturz in Kasachstan
Schoss die russische Luftabwehr versehentlich die Maschine ab?

Am Mittwochmorgen ist ein Flugzeug der Azerbaijan Airlines im kasachischen Aktau abgestürzt. 29 Menschen haben den Absturz überlebt, 38 starben. Passagiere berichteten von mehreren Explosionen, Videos zeigen mögliche Einschusslöcher am Heck der Maschine.
Publiziert: 25.12.2024 um 08:25 Uhr
|
Aktualisiert: 02:47 Uhr
1/12
67 Menschen waren an Bord der Maschine.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Flugzeugabsturz in Kasachstan: Maschine der Azerbaijan Airlines meldete Notfall
  • Rettungskräfte löschen Brand an der Absturzstelle
  • 29 Überlebende, 38 Tote
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Das Flugzeug geht in den Sinkflug über. Langsam, aber stetig nähert es sich dem Boden. Schliesslich prallt es auf, zerschellt, und eine gewaltige Explosion reisst die Maschine auseinander. Anschliessend steigt eine schwarze Rauchwolke über der Unfallstelle auf.

Eine Maschine der Azerbaijan Airlines ist am Mittwochmorgen (Schweizer Zeit) nahe der kasachischen Stadt Aktau am Kaspischen Meer abgestürzt. Das bestätigten kasachische Behörden. 29 Menschen haben den Absturz überlebt. 38 Menschen sind ums Leben gekommen. Das sagte der kasachische Vize-Regierungschef Qanat Aldabergenuly Bosymbajew am Unglücksort. 26 Verletzte wurden in Spitäler gebracht, zehn von ihnen sind in einem lebensbedrohlichen Zustand.

Video soll Kabine nach dem Absturz zeigen
0:45
Filmer betet zuvor zu Gott:Video soll Kabine nach dem Absturz zeigen

Nach Angaben des kasachischen Verkehrsministeriums befanden sich an Bord der Embraer 190 insgesamt 62 Passagiere und 5 Besatzungsmitglieder. Ein Video, das in den sozialen Medien kursiert, zeigt den Absturz.

Ein deutsches Mädchen unter den Passagieren

Die regionale Gebietsverwaltung von Mangistau veröffentlichte eine Liste der Verletzten: Demnach waren mindestens zwei Kinder an Bord. Ein Mädchen (11) gab an, in Deutschland zu wohnen. Seine Staatsangehörigkeit kenne es nicht. 

Eine Anwohnerin rannte eigenen Angaben zufolge gemeinsam mit anderen Helfern zur Absturzstelle, wie sie Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) sagte. «Sie waren blutüberströmt. Sie weinten. Sie flehten um Hilfe», berichtete die Frau. «Wir haben Teenagermädchen gerettet. Ihre Blicke, voller Schmerz und Verzweiflung, werde ich nie vergessen. Ein Mädchen flehte uns an: ‹Rettet meine Mutter, meine Mutter ist dort geblieben›», sagte sie.

Am Abend veröffentlichte die kasachische Agentur Tengrinews eine komplette Passagierliste, auf der auch die Staatsangehörigkeit fast aller Insassen aufgeführt wird. Bei einer Frau fehlten alle Angaben zur Person, das elfjähriges Mädchen wurde mit deutscher Staatsangehörigkeit aufgelistet. Der Liste nach hatten 14 Überlebende die Staatsangehörigkeit von Aserbaidschan, 10 von Russland und 2 von Kirgistan. Azerbaijan Airlines stellte ihre Flüge in die russischen Städte Grosny und Machatschkala im Nordkaukasus ein.

Rettungskräfte haben Absturzstelle erreicht

Wie das Portal Tengri News berichtet, war das Flugzeug von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku nach Grosny in der russischen autonomen Republik Tschetschenien unterwegs. Es habe demnach einen Notfall signalisiert. Zuvor war es wegen Nebels nach Machatschkala umgeleitet worden.

Rettungskräfte löschten einen Brand an der Absturzstelle erfolgreich. Aserbaidschan Airlines teilte seinerseits mit, die Maschine sei vom Kurs abgekommen und rund drei Kilometer von Aktau entfernt notgelandet. Der Flugschreiber der Maschine konnte geborgen werden, wie der Staatsanwalt Timur Sulejmenow laut Interfax mitteilte. 

Die Fluggesellschaft hatte zunächst angegeben, die Machine sei mit einem Vogelschwarm kollidiert, hatte diese Angabe jedoch später zurückgezogen. Die Regionalabteilung des kasachischen Gesundheitsministeriums berichtete ihrerseits von einer «Ballonexplosion» an Bord des Flugzeugs, ohne die Angabe näher zu erläutern.

Aserbaidschanischer Präsident bricht Russland-Reise ab

Aserbaidschans First Lady Mehriban Alijewa (60), die zudem erste Vizepräsidentin des Kaukasuslandes ist, sprach den Angehörigen der Opfer ihre Anteilnahme aus. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin (72) und Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow (48) bekundeten ihr Beileid.

Aus dem Büro des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew (63) hiess es, der Staatschef habe einen Besuch in Russland abgebrochen, wo er an einem informellen Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) teilnehmen sollte. Alijew habe «die sofortige Einleitung dringender Massnahmen zur Untersuchung der Unglücksursache» angeordnet.

In sozialen Netzwerken kursierten zwar viele Videos des Unglücks, so Alijew weiter. «Doch die Gründe für den Absturz sind uns noch unbekannt.» Es gebe verschiedene Theorien. «Die Sache muss gründlich aufgeklärt werden», sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Azertag zufolge.

Möglicherweise von russischer Luftabwehr abgeschossen

Russische Militärblogger lieferten bereits eine Erklärung: Das Flugzeug könnte über dem Nordkaukasus in Zonen geraten sein, in denen am Mittwochmorgen ukrainische Drohnen bekämpft wurden. Der Flugzeugtracker Flightradar24 analysierte, dass die beschädigte Maschine die letzten 74 Minuten nur beschränkt steuerbar über das Kaspische Meer geflogen sei.

In Videos auf der Plattform X sind die Heckflügel der Maschine zu sehen, die deutliche Spuren von Einschusslöchern zeigen. Überprüfen lassen sich die Videos noch nicht. Ein Militärblogger schreibt jedoch bereits, dass die Löcher von einer neben dem Flugzeug explodierten russischen Luftabwehrrakete entstanden sein könnten. Diese hätte «höchstwahrscheinlich» den Absturz verursacht.

Die letzten 74 Flugminuten arg havariert

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew vertrat der Leiter des Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation, Andrij Kowalenko, die Ansicht, die Maschine sei auf ihrem Weg nach Grosny von der russischen Flugabwehr beschossen und beschädigt worden. Einen Beweis für seine Behauptungen erbrachte er nicht.

Völlig unklar war, ob Drohnen oder Geschosse zur Abwehr von Drohnen überhaupt in den Vorfall verwickelt waren. Die Ukraine wehrt sich seit fast drei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg und nimmt immer wieder vor allem mit Drohnen militärische Ziele in dem Nachbarland ins Visier. Inzwischen erreichen ukrainische Drohnen auch den Kaukasus.

Der Internet-Flugzeugtracker Flightradar24 analysierte, dass die beschädigte Maschine die letzten 74 Minuten nur beschränkt steuerbar über das Kaspische Meer geflogen sei.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

«Es gab eine Explosion»

Ebenfalls auf X ist unterdessen ein Video aufgetaucht, das das Innere der Maschine nach dem Absturz zeigen soll. Zu sehen ist auch, wie überlebende Passagiere versuchen, aus dem Wrack zu kriechen.

Einzelne Passagiere sollen bereits kurze Aussagen gemacht und Kommentare zu den Geschehnissen abgegeben haben. So sagt Zaur Mamedov, einer der Überlebenden des Flugzeugabsturzes: «Es gab eine Explosion – ich würde nicht sagen, dass sie im Flugzeug war. Dort, wo ich sass, flog das Innenfutter weg.»

Er fügte hinzu, dass er nach seiner Schwimmweste griff und ein Loch darin sah: «Ich nahm die Jacke und schaute: Da war ein Loch in der Jacke – ein Granatsplitter hatte sie durchbohrt. Nach dieser Explosion flog dieser Granatsplitter genau zwischen meine Beine – irgendwo dort – hinein und traf mich. Er durchbohrte die Jacke vollständig.»

Ermittlungen wurden eingeleitet

Aktau liegt im Westen Kasachstans. Moderne Jets sind eigentlich so konstruiert, dass sie die Kollision mit Vögeln überstehen. In schweren Fällen kann Vogelschlag aber immer noch Maschinen in Gefahr bringen.

Die Behörden in Kasachstan und Aserbaidschan leiteten Ermittlungen zu dem Unglück sein. Die aserbaidschanische Generalstaatsanwaltschaft teilte mit, ein Ermittlerteam sei nach Kasachstan entsandt worden. Das kasachische Innenministerium erklärte, die Ermittlungen bezögen sich unter anderem auf den Vorwurf der «Verletzungen der Sicherheitsvorschriften» im Flugverkehr.

Fehler gefunden? Jetzt melden