Die Scheinwerfer sind auf Giorgia Meloni (45) gerichtet. Die Römerin machte ihre Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens), die noch vor vier Jahren mit etwas über vier Prozent als Aussenseiterin galt, am Sonntag zur führenden politischen Kraft des Landes. Meloni kassierte 26 Prozent der Stimmen. Im Rechtsbündnis mit Matteo Salvinis (49) Lega Nord und Silvio Berlusconis (85) Forza Italia erhalten Meloni und ihre «Brüder» mühelos die absolute Mehrheit in Senat und Abgeordnetenkammer.
Die Postfaschistin wird Ministerpräsidentin und kann die kommenden fünf Jahre durchregieren. Das zumindest sollte man angesichts des Triumphzuges meinen. Doch so einfach ist es nicht, schon gar nicht im streitsüchtigen Rom. Seit dem Bestehen der Republik wurden 67 Premiers vereidigt – im Durchschnitt alle anderthalb Jahre einer. Interne Machtkämpfe, Intrigen und Ego-Trips zerschlagen in guter Regelmässigkeit die fragilen Koalitionen.
Auch wenn die Rechtspopulisten und die Konservativen im Schulterschluss mit Giorgia Meloni in den Wahlkampf zogen – die Leader der beiden Parteien sind erfolgsverwöhnt und machthungrig. Besonders Matteo Salvini bewies in den vergangenen Jahren, wie trügerisch seine Allianzen sein können.
Matteo Salvini ist nicht immer ein treuer Koalitionspartner
2019 drohte der damalige Lega-Innenminister dem Fünf-Sterne-Premier Giuseppe Conte (58) mit einem Misstrauensvotum, wenn man ihm nicht mehr Macht einräume. Die Koalition platzte. 2022 verweigerte die Lega – wieder in einer Regierungskoalition – Mario Draghi (75) die Unterstützung. Der Premier trat zurück. Es folgten Neuwahlen, die nun Giorgia Meloni haushoch gewann.
Noch am Wahltag zeigten sich die rechtspolitischen Alphamännchen selbstbewusst. Er habe die Regierung bereits im Kopf, sagte Matteo Salvini vor Journalisten. Seine Lega sei angetreten, um zu siegen, und nicht nur, um teilzunehmen. Silvio Berlusconi, der am Donnerstag 86 Jahre alt wird, sieht sich als omnipotente graue Eminenz. «Ich werde der Regisseur der Regierung sein», so der Cavaliere während seiner achten Wahlkampagne selbstbewusst. In seiner politischen Laufbahn war Silvio Berlusconi bereits viermal Ministerpräsident.
In vielen Punkten ist sich das Rechtsbündnis uneinig
Beide Parteien erreichten am Sonntag allerdings nicht einmal die Zehn-Prozent-Marke. Ob sie sich dennoch mit Krümeln vom Kuchen zufriedengeben, wird sich zeigen. Italienische Medien bezweifeln inzwischen, dass Salvini den gewünschten Posten als Innenminister bekommt. Giorgia Meloni habe da wohl jemand anderen im Sinn. Rückenwind von «Partner» Silvio Berlusconi kann Salvini kaum erwarten. Der beschrieb am Sonntag den Lega-König als «guten Mann», der aber nicht arbeiten würde.
Die Polit-Programme der Koalitionspartner liegen zudem in einigen Punkten weit auseinander. Giorgia Meloni hält an den EU-Sanktionen gegen Putin fest, Salvini will sie abschaffen. Silvio Berlusconi will EU und Nato folgen. Die Brüder Italiens fraternisieren mit Viktor Orban, Berlusconi hingegen sieht die ungarische Autokratie weit entfernt von der Vision der EU und als kein Modell zum Nachahmen.
Staatspräsident Sergio Mattarella kann ein Veto einlegen
Die Bündnispartner sind sich auch bei der Steuerreform, der Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre und den Finanzspritzen zur Deckelung der explodierenden Energiepreise nicht einig. Die Fratelli d'Italia wollen die Sozialhilfe abschaffen, das sogenannte Grundeinkommen. Matteo Salvini will hingegen die Italiener, die «es am nötigsten haben, nicht im Stich lassen».
Zuletzt hat auch noch Staatspräsident Sergio Mattarella (81) bei der Regierungsbildung ein Wörtchen mitzureden. Er tat dies schon im Mai 2018 mit einem Paukenschlag. Die damaligen Koalitionspartner Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord hatten den Europa-Kritiker und Deutschland-Hasser Paolo Savona (85) als Finanz- und Wirtschaftsminister vorgeschlagen. Eine Gefahr für die Stabilität Italiens, meinte Sergio Mattarella und legte ein Veto ein, was die Regierungsbildung vorübergehend lahmlegte. Erst als Giuseppe Conte einen neuen Mann vorschlug, durfte er Premierminister werden.