Europa atmet auf, Emmanuel Macron (44) feiert. Und lässt sich feiern. Frankreichs Staatschef hat die rechtspopulistische Herausforderin Marine Le Pen (53) bei den Präsidentschaftswahlen geschlagen. Und zwar deutlich: Mit über 58 Prozent zu knapp 42 Prozent, das zeigten die ersten Hochrechnungen der Stichwahl am Sonntag.
«Nach fünf Jahren der Transformation, mit glücklichen wie schwierigen Stunden, hat sich eine Mehrheit heute dafür entschieden, weitere fünf Jahre auf mich zu vertrauen», sagte Macron bei seiner Siegesrede auf dem Champ-de-Mars in der Nähe des Eiffelturms, wo ihn seine Anhänger frenetisch feierten.
Macrons Sieg ist historisch. Seit Jacques Chirac 2002 gelang keinem von Frankreichs Staatschefs die Wiederwahl: Sowohl der Konservative Nicolas Sarkozy (67) als auch der Sozialist François Hollande (67) wurden nur einmal gewählt. Und Macron ist der erste Präsident überhaupt, der zweimal gewählt wurde, während seine Partei gleichzeitig die Nationalversammlung dominierte.
Bereits 2017 standen Macron und Le Pen in der Stichwahl. Herausforderin Le Pen, die für den Fall eines Sieges einen Buskorso durch Paris geplant hatte, schlug sich jedoch deutlich besser als vor fünf Jahren. Von ihren radikalsten Vorschlägen wie dem Austritt aus dem Euro und aus der EU hat sie sich verabschiedet. Ihre langjährige Unterstützung für den russischen Präsidenten Putin kehrte sie unter den Teppich.
Die Franzosen durchschauten das Spiel offenbar. Auch Macron-Kritiker wollten mehrheitlich lieber den Amtsinhaber im Élysée-Palast sehen als Le Pen. Bei der Stichwahl zeigte der Trend für Macron früh klar nach oben.
Expertinnen und Experten sehen Wahlergebnis kritisch
Caroline Kanter, Leiterin des Paris-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, schaut mit gemischten Gefühlen auf das Ergebnis: «Auch wenn die Macron-Anhänger jubeln, haben diese Wahlen einen bitteren Beigeschmack.»
Die Wahlbeteiligung sei bei der Stichwahl auf einem Rekordtief gelegen. Die Rechtspopulistin Le Pen werde zwar nicht Präsidentin, fahre jedoch ein solides Ergebnis ein und konnte gerade im ländlichen Frankreich klar punkten. «Das sagt wenig Gutes für die kommenden fünf Jahre, die Präsidentschaftswahlen 2027, aber auch über das gesellschaftliche Klima aus.» Macron müsse neue Methoden finden, um die Spaltung der Gesellschaft einzufangen, die sich bereits während seiner ersten Amtszeit bestätigt habe.
Hugo Houbart, Politologe an der Uni Genf, erklärt sich die Wahlbeteiligung von nur knapp 72 Prozent – die zweitniedrigste jemals – mit drei Faktoren. Etwa, dass die Stichwahl auf die Osterferien fiel. «Manche Wähler waren vielleicht noch in den Ferien.» Zudem hätten die Umfragen ein klares Ergebnis prophezeit. «Und linke Wähler verzichteten vielleicht lieber darauf, sich zwischen einem liberalen und als arrogant geltenden Kandidaten und einer Rechtsaussen-Kandidatin zu entscheiden.»
Am 12. Juni wählt Frankreich die Nationalversammlung
Anders sieht das Gilbert Casasus, Direktor des Zentrums für Europastudien an der Uni Freiburg. «Die hohe Enthaltungsrate ist auch Ausdruck davon, dass ein Bruch durch das Land geht.» Frankreich müsse sich politisch erneuern und den Bürgerinnen und Bürgern eine neue Rolle zugestehen. Auf kommunaler und regionaler Ebene könne man sich auch von der Schweizer Demokratie inspirieren lassen und mehr Mitbestimmung zulassen.
Macrons Sieg wird schon bald auf die Probe gestellt. Am 12. Juni muss sich seine Partei La République en Marche bei den Parlamentswahlen behaupten. Hier könnten ihm die Französinnen und Franzosen einen Denkzettel verpassen. Viele haben den Amtsinhaber schliesslich nicht aus Überzeugung gewählt – sondern schlicht, weil sie dessen Herausforderin verhindern wollten. Davon zeugten am Wahlabend auch Ausschreitungen in mehreren Städten.