Russische Truppen haben nach Angaben von Journalisten beim Vormarsch auf die ukrainische Hauptstadt Kiew eine Brücke mit Mörsern beschossen und mindestens drei Angehörige einer Familie getötet.
Die «New York Times» verbreitete ein verstörendes Bild ihrer Fotoreporterin Lynsey Addario, das vier auf dem Boden liegende Zivilisten zeigt, und schrieb dazu: «Ukrainische Soldaten versuchen, den Vater einer vierköpfigen Familie zu retten – der als einziger zu diesem Zeitpunkt noch einen Puls hatte –, nachdem er am Sonntag beim Fluchtversuch aus Irpin in der Nähe von Kiew von einer Mörsergranate getroffen wurde.» Die Toten seien ein Teenager, ein Mädchen im Alter von geschätzt acht Jahren und die Mutter.
Die Veröffentlichung des Fotos ist ungewöhnlich. Viele Medien – darunter auch Blick – veröffentlichen normalerweise keine Fotos von Leichen.
Die «New York Times» entschied sich in diesem Fall dafür, um die Brutalität von Putins Angriffen zu zeigen und die Kriegsverbrechen sichtbar zu machen. «Wiederum feuerten die russischen Streitkräfte Mörsergranaten auf Hunderte von ukrainischen Zivilisten, die auf der Flucht waren», kommentierte NYT-Redakteur Edward Wong die ungewöhnliche redaktionelle Entscheidung auf Twitter. «Das passiert überall in der Ukraine.»
Soldaten halfen an der Stelle bei der Flucht
Hunderte Flüchtlinge hatten sich seit Samstag an der beschädigten Brücke versammelt, um den Fluss Irpin zu überqueren. Ein AP-Fotograf zeigte dramatische Bilder der Fluchtroute. Offenbar hatten ukrainische Truppen die Brücke selbst gesprengt, um den russischen Vormarsch zu bremsen.
Wie bereits am Vortag haben sich auch am Sonntag offenbar rund ein Dutzend ukrainische Soldaten in unmittelbarer Nähe der Brücke aufgehalten, die aber nicht gekämpft, sondern Zivilisten beim Tragen von Gepäck und Kindern geholfen hätten. Das berichtet die «New York Times».
«Ihr Gepäck lag herum, der Hund bellte»
Auf der Kiewer Seite der Brücke habe es einen etwa hundert Meter langen Strassenabschnitt gegeben. Um ihn zu bewältigen, hätten die Menschen kleine Gruppen gebildet und seien gemeinsam losgerannt.
Die «New York Times» veröffentlichte auch eine Filmaufnahme eines freien Journalisten namens Andriy Dubchak. Darauf sind im Hintergrund Zivilisten in Bewegung zu sehen, plötzlich kommt es zu einer heftigen Explosion, danach liegen Menschen auf der Strasse. «Soldaten eilten zur Hilfe, aber die Frau und die Kinder waren tot», schrieb die Zeitung. «Ihr Gepäck, ein blauer Rollkoffer und einige Rucksäcke, lag verstreut herum, zusammen mit einer grünen Tragetasche für einen kleinen Hund, der bellte.» (SDA/kin)