Liz Truss und ihr Team hatten die ersten Wochen ihrer Amtszeit minutiös vorbereitet. Alle wussten: Als neue Premierministerin Grossbritanniens übernimmt sie ein Land in der Krise. Millionen rutschen in die Armut ab, die Polizei rechnet mit Unruhen.
Und dann das: Schon am zweiten Tag zerreisst das Schicksal sämtliche Pläne. Die Queen ist tot! Ursprünglich sollte ein 150 Milliarden Pfund schweres Hilfspaket gegen hohe Energiepreise angekündigt werden, von dem Truss hoffte, dass es den dynamischen Anfang ihrer Amtszeit markieren würde. Doch das verkommt nun zur Fussnote. Ab sofort führt die Konservative ein Land in Trauer.
Ein «riesiger Schock»
Am Donnerstagabend trat Truss vor die schwarze Tür von 10 Downing Street und sprach zum Volk: «Wir alle sind erschüttert.» Es sei ein «riesiger Schock für die Nation». Die Bilder gehen um die Welt. Und schnell wird klar, so zynisch es klingen mag: Politisch dürfte die neue Premierministerin vom Tod der Queen profitieren – zumindest kurzfristig.
In der Trauer findet Grossbritannien zusammen. Die Parteipolitik rückt in den Hintergrund, die üblichen Streitereien verstummen, die Energiekrise und die Wut der Bürger über die soziale Misere scheinen für einen Moment vergessen. Die Gewerkschaften haben ihre für die kommenden Wochen geplanten Streiks abgesagt.
Der Tod der Königin katapultiert Truss in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit. Das kommt ihr gelegen, denn nicht einmal die Britinnen und Briten kennen ihre Premierministerin so richtig. Trifft sie den Ton, stimmen die Bilder, kann sie sich jetzt als neue Landesmutter präsentieren.
Präzis durchgetaktetes Protokoll
In den nächsten Wochen werden Staats- und Regierungschefs aus aller Welt nach London reisen, um der Queen die letzte Ehre zu erweisen. Truss wird sie empfangen und somit das tun, was sie aus ihrer Zeit als Aussenministerin gewohnt ist.
Kommt hinzu: Die Staatstrauer folgt einem präzise durchgetakteten Protokoll. Auch dies ist von Vorteil für Truss, der nichts so sehr abgeht wie die Spontaneität ihres Vorgängers Boris Johnson.
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Und doch: Spätestens wenn der Winter über das Königreich hereinbricht, werden die politischen Debatten mit voller Wucht zurückkehren – vielleicht sogar in einem Streit zwischen Truss und dem neuen König gipfeln. Die Premierministerin will das Fracking-Verbot aufheben, um unabhängiger von ausländischen Gas- und Öllieferungen zu werden. Ein Plan, der dem Umweltschützer Charles gewiss nicht gefallen wird.