Auf einen Blick
- Fehlerkette führte laut Experten zum Untergang der Bayesian
- Möglicherweise wurden grosse Öffnungen nicht geschlossen
- Sieben Menschen starben
Es waren enorme Kräfte, die am Montagmorgen auf die Bayesian wirkten: Eine gefährliche Wasserhose erwischte die Superyacht vor der Küste Siziliens mit voller Wucht – sie kippte innerhalb von Sekunden auf die Seite. In Minutenschnelle verschwand das Schiff unter der Wasseroberfläche.
Während die Retter am Freitag die Leiche von Milliardärstochter Hannah Lynch (†18) bargen (das siebte Todesopfer des Unglücks), widmen sich Ermittler der Ursache. Noch immer ist unklar, wie es überhaupt zu der Tragödie kommen konnte.
Der Eigentümer der italienischen Herstellerfirma Perini, Giovanni Costantino, sagte vor dem Untergang, die Yacht sei «eines der sichersten Boote der Welt».
Das bestätigt auch Pawel Ziegler, Professor für Nautik und Schiffsführung an der Hochschule Flensburg (D). «Diese Yachten sind hervorragende Schiffe – auch bei hohem Seegang sind sie normalerweise ausserordentlich stabil und seetüchtig», sagt Pawel, der beruflich und privat selbst segelt, zu Blick. Wie konnte die Bayesian also sinken?
Im Fall der gesunkenen Bayesian haben verschiedene Faktoren dazu geführt, dass die Crew keine Chance mehr hatte, das Schiff zu retten.
Unvorhersehbare Wasserhose
Die Behörden haben mittlerweile bestätigt, dass für das finale Umkippen der Segelyacht vermutlich eine Wasserhose ursächlich war. «Solche Phänomene sind sehr lokal», erklärt Ziegler. Sie seien unvorhersehbar und können auch nur einzelne Schiffe betreffen. «Eine Wasserhose ist extrem. Da kannst du im Zentrum kaum noch atmen.»
Aufgrund der hohen Wassertemperaturen im Mittelmeer treten solche Phänomene häufiger auf. «Langsam sind in Europa die Bedingungen erfüllt, die tropische Wirbelstürme begünstigen.» Eine unglaubliche Hitzewelle habe Sizilien in den vergangenen Tagen heimgesucht. «Das spielte sicher eine Rolle», so der Experte.
Hoher Kiel
Die Bayesian-Crew entschied vor dem Nächtigen, den Kiel einzufahren. Dies zeigen erste Untersuchungen. Der Kiel ist das «Rückgrat» eines Boots, einer Yacht oder eines Schiffs. Wenn der Kiel eingefahren ist, vermindert sich die Stabilität stark. Ohne Kiel würden Segelyachten während eines Sturms einfach «umgepustet».
Da der Kiel bei der Bayesian teilweise eingezogen war, verminderte dies die Stabilität des Schiffs, erklärt Ziegler. «Es ist dann gegenüber Windstössen viel sensibler.»
Öffnungen nicht geschlossen
«Bei widrigen Wetterbedingungen müssen immer alle Öffnungen eines Schiffs geschlossen werden», erklärt der Professor. Darunter fallen Fenster, Schotten, Luken, Glasfronten und Türen. Das Schliessen der Öffnungen habe die Crew der Bayesian im aktuellen Fall wohl vernachlässigt. Darauf deuten erste Erkenntnisse hin.
Nachdem die Yacht auf die Seite gekippt war, drangen die Wassermassen ungehindert ins Schiff ein. Die verschiedenen Massnahmen seien möglicherweise ungenügend umgesetzt worden.
Wurden alle Sicherheitsvorschriften eingehalten?
Wasserhosen könne man nicht vorhersehen, aber man könne sich entsprechend vorbereiten. Zu den Vorbereitungen gehören das Abarbeiten von Checklisten sowie regelmässige nächtliche Wachgänge.
Auch den Experten macht das Unglück betroffen. Ziegler zu Blick. «Dass ein 56 Meter langes Schiff so schnell verschwindet, darf einfach nicht passieren.»