Scheinreferenden enden heute
Gehören Luhansk und Co ab Freitag schon zu Russland?

Russland will vier ukrainische Gebiete annektieren. Am Dienstagabend könnte ein Entscheid fallen. Wie geht es danach weiter? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Scheinreferenden.
Publiziert: 27.09.2022 um 13:14 Uhr
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Aktualisiert: 27.09.2022 um 14:14 Uhr
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Am Dienstagabend enden die Scheinreferenden in den vier ukrainischen Gebieten.
Foto: IMAGO/SNA

Geht der Plan von Russland auf? Am Dienstagabend dürften die Abstimmungsresultate der Scheinreferenden bekannt werden. Bereits am Freitag könnten vier ukrainische Gebiete zu Russland gehören. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die aktuelle Lage im Ukraine-Krieg.

Wie laufen die Abstimmungen ab?

Seit dem Beginn am Freitag zieht das russische Militär von Tür zu Tür. Mit umgehängten Waffen fordern sie die Bevölkerung in den betroffenen ukrainischen Gebieten zum Abstimmen auf. Mehrerer Videos auf Twitter belegen den antidemokratischen Vorgang.

Hier klopfen bewaffnete Russen bei Ukrainern an die Tür
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Für Abstimmungen:Hier klopfen bewaffnete Russen bei Ukrainern an die Tür

Nicht in allen vier Gebieten sehen die Stimmzettel gleich aus, wie unabhängige russische Medien berichten. In Donezk und Luhansk steht nur eine Frage auf dem Zettel: «Beitritt zur Russischen Föderation?» «Ja» oder «Nein». In Cherson und Saporischja werden drei Fragen gestellt: «Austritt aus der Ukraine? Gründung eines unabhängigen Staates? Beitritt zu Russland?» Es ist jedoch nicht möglich, die Fragen einzeln zu beantworten. Es gilt: alles oder nichts, «Ja» oder «Nein».

Während des Abstimmungsvorgangs schlagen immer wieder ukrainische Raketen ein. Nach Angaben der Besatzungsbehörden starben im Gebiet Cherson am Sonntag zwei Menschen. Trotz des Beschusses führt Russland das Prozedere fort. Die Abstimmungsresultate des Scheinreferendums dürften noch am Dienstabend publik werden. Die Erwartungen liegen bei einer 80- bis 90-prozentigen Zustimmung zum Beitritt zur Russischen Föderation.

Wann gehören die Gebiete zu Russland?

Am Donnerstag bespricht die Duma Gesetzentwürfe zur Eingliederung von Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja. Schon am Freitag könnte Wladimir Putin (69) vor dem Parlament auftreten und den Anschluss verkünden.

Was geschieht mit der einheimischen Bevölkerung?

Die Ukrainer könnten im Krieg gegen ihre eigenen Landsleute eingesetzt werden. «Sie werden unsere Männer einziehen und als Kanonenfutter missbrauchen», befürchtet Iwan Fedorow, der Bürgermeister der besetzten Stadt Melitopol. In Cherson und Saporischschja sollen bereits Marschbefehle für die kommende Woche verteilt werden. Fedorow habe den Männern geraten, Melitopol in Richtung Krim zu verlassen und von dort nach Georgien oder in die EU zu reisen. Diesen Fluchtweg machte Russland aber bereits dicht.

Erhält die ukrainische Bevölkerung den russischen Pass?

Für den Militärdienst ist der russische Pass notwendig. Ein Problem, das Putin vorzeitig erkannte und aus der Welt schuf. Einen Tag vor der Teilmobilmachung verabschiedete das höchste gesetzgebende Organ Russlands ein neues Gesetz. Ab sofort erhalten Ausländer, die sich freiwillig für die Armee melden, leichter den russischen Pass. Auch der Rest der ukrainischen Bevölkerung in den annektierten Gebieten dürfte zügig mit einem russischen Pass ausgestattet werden. Seit der Besetzung von Teilen des Donbass im Jahr 2014 und dem Einmarsch in den Osten und Süden der Ukraine macht Moskau in der Pass-Frage vorwärts. In den betroffenen Gebieten erhalten Neugeborene automatisch die russische Staatsbürgerschaft. Zudem löste der russische Rubel dort bereits die ukrainische Griwna als Zahlungsmittel ab.

Ist dieser Fall vergleichbar mit der Krim-Annexion 2014?

Jein. Wie bei der russischen Krim-Übernahme fehlen auch in diesem Fall unabhängige Wahlbeobachter. Auch der Vorwand ist gleich: Es geht um den angeblichen Schutz einer (russischsprachigen) Bevölkerung. In beiden Fällen legt Russland grossen Wert darauf, «unbeteiligt» zu erscheinen. Lokale ukrainische Politiker kündigten offiziell die Scheinreferenden an. Aber: Diese wurden von Moskau eingesetzt. 2014 gingen die Russen sogar noch einen Schritt weiter. Sie leugneten jede Beteiligung der eigenen Armee. Ihre Soldaten trugen kein russisches Emblem, wurden als «grüne Männchen» bezeichnet.

Was für Auswirkungen könnte die Annexion auf den Krieg haben?

Sobald Putin die Gebiete zu russischen Territorien erklärt, droht eine neue Eskalationsstufe. Ein weiterer Beschuss dieser Gebiete durch die Ukraine könnte einen Atomschlag zur Folge haben. Weil in diesem Fall russisches Territorium angegriffen wird, erlaubt die russische Militärdoktrin den Einsatz von Atomwaffen. Das ZDF berichtet von einem «Point of no Return», sollte die russische Gebiet-Annexion gelingen. Die Friedensverhandlungen würden noch einmal schwieriger. Bereits in den ersten Kriegswochen forderte Kremlchef Putin als Friedensbedingung die Anerkennung der ukrainischen Halbinsel Krim. Es ist davon auszugehen, dass Moskau ähnliche Forderungen auch für die betroffenen Gebiete in der Ost- und Südukraine stellen dürfte. (nab)

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