Russland-Experte Ulrich Schmid über Gespräche mit Wagner-Boss Prigoschin
«Putin steckt in einem Dilemma»

Putin soll sich bereits wenige Tage nach dem Wagner-Aufstand mit Prigoschin getroffen haben. Besprochen wurden unter anderem die weitere Zusammenarbeit und die Treue der Wagner-Gruppe zu Russland. Was das über Putins Macht in Russland aussagt.
Publiziert: 11.07.2023 um 12:54 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2023 um 15:49 Uhr
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Was wäre Kremlchef Wladimir Putin ohne die Söldnergruppe Wagner?
Foto: keystone-sda.ch
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Es war ein «Verrat», ein «Dolchstoss», so Kremlchef Wladimir Putin (70) über den von Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (62) geplanten «Marsch auf Moskau» Ende Juni. Der Oligarch und Kriegsherr wurde als Antwort auf seinen Ungehorsam mitsamt seiner Söldnertruppe Wagner ins belarussische Exil verbannt.

Oder zumindest wurde die Welt in diesem Glauben gelassen. Gesichtet wurden weder Prigoschin noch eine grosse Menge Wagner-Söldner in Belarus. Wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (55) am Montag mitteilte, sollen sich die beiden Kriegsherren und weitere 35 Wagner-Offiziere bereits am 29. Juni, wenige Tage nach dem gescheiterten Aufstand, in Moskau getroffen haben. Den Wagner-Kommandanten seien daraufhin «weitere Einsatzmöglichkeiten und weitere Kampfeinsätze» angeboten worden, sagte Peskow und fügte hinzu, dass die Paramilitärs erklärt hätten, sie seien «bereit, weiter für Russland zu kämpfen».

Putin muss Prigoschin in seinen Reihen akzeptieren

Mit keinem Wort wurde der Streit der beiden erwähnt. Für Russland-Kenner und Slawist Ulrich Schmid (57) bedeutet das vor allem eins: «Es zeugt von dem Dilemma, in dem Putin steckt.» Einerseits fordert Putin unbedingte Loyalität von Prigoschin und war ausser sich über den Aufstand, andererseits ist er von der Stärke der Wagner-Gruppe abhängig, erklärt der Experte.

«Putin hat keine guten Optionen in diesem Szenario», so Schmid. Wenn er Prigoschin ungestraft davonkommen lässt, zeugt das von Schwäche – der Kremlchef würde sein Gesicht verlieren. Doch den Wagner-Boss zu bestrafen, hätte ebenso negative Konsequenzen: Es würde bedeuten, dass er im Ukraine-Krieg und in seinen Bestrebungen auf dem afrikanischen Kontinent nicht mehr auf Prigoschin und seine Söldner zählen könnte. Deshalb bleibt dem Kremlchef wohl nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Wird Prigoschin spuren müssen?

Aber wie geht es jetzt weiter mit Wagner? «Wenn es nach Putin geht, soll Wagner in die regulären Armeestrukturen überführt werden», vermutet Schmid. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits in der Zentralafrikanischen Republik: Laut «The Africa Report» wurden rund 600 Wagner-Söldner aus der Hauptstadt Bangui abgezogen – und nach Moskau geflogen.

Unter dem Druck des Kremls bereitet sich die Wagner-Führung laut Berichten darauf vor, die Organisation der Gruppe zu überprüfen und ihren Männern mitzuteilen, dass sie von nun an stärker dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt sein werden. Ausserdem könnte Wagners Führung in Bangui, Vitali Perfilev, durch einen anderen Befehlshaber ersetzt werden, der als näher an den Interessen des Verteidigungsministeriums und weniger eng mit Prigoschin verbunden gilt.

Wie und ob sich Prigoschin auch in der Ukraine und Russland so bereitwillig der russischen Regierung fügen wird, steht offen. Denn es ist nicht zu vergessen: Genau die Forderung, russische Söldnergruppen sollen in die reguläre Armee integriert werden, war der Auslöser für den Wagner-Aufstand. Bisher hat sich Prigoschin noch nicht zu den Gesprächen mit Kremlchef Putin geäussert.

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