Russland-Experte Kofman über die Nachschub-Probleme
«Russland ist in drei oder vier Wochen kampfunfähig»

Putins Traum einer schnellen Invasion ist geplatzt. Der Widerstand der Ukrainer ist grösser als erwartet, es fehlt an Nachschub und die Stimmung unter den Soldaten ist extrem schlecht. Es sieht schlecht aus für die Russen.
Publiziert: 10.03.2022 um 18:58 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2022 um 19:23 Uhr
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Russland verliert immer mehr Material und Personal.
Foto: keystone-sda.ch

Putins Armee hat sich auf einen schnellen Krieg mit einem baldigen Regimewechsel in der Ukraine eingestellt. Ein Trugschluss. Die Ukrainer leisten Widerstand – und wie. Da die russischen Streitkräfte nicht auf einen langfristigen Krieg vorbereitet waren, machen sich nun die ersten grösseren Probleme bemerkbar.

Nicht einmal Nachschublinien hat das russische Militär aufgebaut, weil sie dachten, dass der Krieg innert weniger Tage vorbei wäre. Jetzt fehlt es den Truppen an Benzin, Nahrung und Munition. Bei den russischen Soldaten macht sich deswegen jetzt eine schlechte Stimmung breit.

Für Michael Kofman, Direktor des Forschungsprogramms für Russlandstudien, ist klar: Die Russen «haben die anfängliche Invasion verpfuscht.» Das sagt der Experte im Interview mit dem «Spiegel».

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Russen werden mehr Luftangriffe fliegen

Zu Beginn hätten die Russen sehr irrational gehandelt. «Nun beobachten wir, wie sie sich auf einen viel hässlicheren und schwierigeren Krieg einstellen.» Und genau darum ist Putin im Zugzwang. Er muss etwas ändern. Kofman geht davon aus, dass der Kremlchef vermehrt auf Luftangriffe setzen wird.

Der Grund: Die Armee hat nicht genug Kapazitäten für Stadtkämpfe in ukrainischen Grossstädten wie Kiew oder Charkiw. «Ein wichtiger Punkt des ursprünglichen Plans war es, Krieg in den Städten zu vermeiden», erklärt der Russland-Experte. Durch die Luftangriffe werde es allerdings vermehrt zivile Opfer geben, da solche Angriffe oft grossflächig und auch eher ungenau erfolgen.

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Truppen könnten sich zurückziehen

Aufgrund der aktuellen Verlustrate und dem fehlenden Nachschub könnten die Russen allerdings zeitnah nicht mehr genügend für den Krieg ausgerüstet sein. Bald könnten sie nämlich zu viel Personal und Material verloren haben. Und da sie keine Nachschublinien aufgebaut haben, wären sie dann nicht mehr fähig, ihre Kriegsoperationen aufrechtzuerhalten.

Dieser Fall könnte laut Kofman demnächst eintreten. «Ich denke, dass es wahrscheinlich drei oder vier Wochen dauern wird, bis sie weitgehend kampfunfähig werden», schätzt der Experte. Ihm zufolge müssten sich die Truppen dann zurückziehen und neu organisieren oder die Operation ganz abbrechen.

Dennoch: Die Russen dürfte man auch nicht unterschätzen. «Es ist wichtig, dass wir nicht von einer Überschätzung der russischen militärischen Fähigkeiten direkt zu einer enormen Unterschätzung auf der Grundlage dieses schlechten Auftritts übergehen.» (obf)

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