Nicht nur die Schweiz bereitet sich auf eine mögliche Energiekrise vor. Angesichts drohender russischer Gaslieferstopps soll die Europäische Union ihre Gasnachfrage bis März um 15 Prozent senken. Das sieht ein Brüsseler Vorschlag vor, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch vorstellte. Für den Notfall strebt die Kommission Sondervollmachten an, um in Europa noch drastischere Massnahmen erzwingen zu können.
Russland erpresse die EU und nutze Gas «wie eine Waffe», sagte von der Leyen zur Begründung. Ihr Plan sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Zunächst sollen die Mitgliedstaaten zwischen dem 1. August und dem 31. März Einsparungen beim Gasverbrauch von öffentlicher Hand, Wirtschaft und Verbrauchern erwirken. So könnten etwa Heizungen gedrosselt und Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert werden.
«EU-Alarm ausrufen»
Sollte dies nicht ausreichen, will die Kommission mit einem neuen «Notfallinstrument» durchgreifen und «EU-Alarm» ausrufen. Dafür müssten die Mitgliedstaaten allerdings einer neuen Rechtsgrundlage zustimmen. Die Energieminister der EU-Staaten kommen am Dienstag zu einer Sondersitzung in Brüssel zusammen.
Zudem hält von der Leyen einen kompletten Lieferstopp von Gas aus Russland in die Europäische Union für wahrscheinlich. «Wir müssen uns auf eine mögliche vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten», sagte die deutsche Politikerin am Mittwoch in Brüssel. «Dies ist ein wahrscheinliches Szenario.»
Man habe schon in der Vergangenheit gesehen, dass Russland versuche, Druck auf die EU auszuüben, indem es die Gasversorgung reduziert. Ein kompletter Lieferstopp würde von der Leyen zufolge alle EU-Staaten schwer treffen. Zugleich betonte sie, dass die EU die Schwierigkeiten bewältigen könne, wenn sie geschlossen handle.
Bestätigen sich die Befürchtungen doch nicht?
Deutschland hat bisher als einziges europäisches Land die Gas-Alarmstufe ausgerufen. Elf weitere Staaten haben nach von der Leyens Angaben die Frühwarnstufe aktiviert. Die Bundesregierung befürchtet, dass Russland nach dem Ende der Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 die Gaslieferungen erneut drosselt oder ganz beendet. Dies könnte schon ab diesem Donnerstag der Fall sein.
Wie die Deutsche Presse-Agentur schreibt, bestätigen sich diese Befürchtungen jedoch nicht: Ab Donnerstag soll bereits wieder Gas durch die Nord Stream 1 fliessen. Wie vorläufige Daten des Netzbetreibers Gascade vom Mittwochnachmittag zeigen, seien für Donnerstag Gaslieferungen durch die Pipeline angekündigt. (zis/dzc/SDA/AFP)