Russischer Ex-Aussenminister erklärt Gründe für den Ukraine-Krieg
«Putin ist ein rationaler Mensch»

Putins Krieg gegen die Ukraine sorgt weltweit für Verwunderung und Unverständnis. Ein ehemaliger russischer Aussenminister nennt drei mögliche Gründe für die russische Invasion.
Publiziert: 07.03.2022 um 21:45 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2022 um 11:19 Uhr
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Der ehemalige russische Aussenminister Andrei Wladimirowitsch Kosyrew erklärt Putins Motivation hinter dem Ukraine-Krieg.
Foto: imago images/ZUMA Wire

Beinahe zwei Wochen ist es jetzt her, seit der russische Präsident Wladimir Putin (69) in der Ukraine einen blutigen Krieg begonnen hat. Während der Krieg zurzeit vorwiegend mit Bomben, Raketen und Soldaten am Boden geführt wird, wird die Angst vor einem nuklearen Angriff, ob gewollt oder nicht, immer grösser. So sagte die ukrainische Politikerin Lesia Vasylenko (34) zu Sky News: «Russland könnte jederzeit Raketen auf die ukrainischen Atomkraftwerke feuern».

Der ehemalige russische Aussenminister Andrei Wladimirowitsch Kosyrew (70) will nun die Welt beruhigen. Dass Russland tatsächlich einen nuklearen Krieg beginnt, glaubt er nicht.

Putin glaubt seine eigene Propaganda

Warum er so gelassen bleibt, erklärt er auf Twitter. «Ich glaube nicht, dass Russland nukleare Waffen einsetzen würde und ich glaube auch, dass Putin ein rationaler Mensch ist». Denn die Annahme, die russische Invasion der Ukraine sei «irrational», stimme nicht und werde vor allem «im Westen» geglaubt.

«Es ist eine grausame Aktion, jedoch keineswegs irrational». Um Putin zu verstehen, müsse man «ein paar Schritte in seinen Schuhen gehen», so Kosyrew. Putin wurde laut ihm aus drei Gründen zu dem Angriff auf die Ukraine bewegt.

Erstens habe der Kreml-Führer «20 Jahre lang geglaubt, dass die Ukraine keine eigenständige Nation ist und die Maidan-Proteste haben eine pro-russische Ukraine unmöglich gemacht. Putin glaubte, dass der Westen hinter dieser Aktion steckte». Nach dieser Logik müsste die Ukraine sich zum Kreml bekennen, um unabhängig zu bleiben, erklärt Kosyrew. «Ansonsten wird Putin sie zwingen.» Zudem soll der russische Präsident angefangen haben, seine eigene Propaganda der «Nazifizierung» der Ukraine zu glauben.

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«Russische Elite glaubt, dass US-Präsident Joe Biden geistesgestört ist»

Zweitens sei das russische Militär in einer «sehr schlechten Verfassung». Der Kreml habe die letzten zwei Jahrzehnte versucht, seine Armee auf Vordermann zu bringen. Dies sei allerdings misslungen, da das Geld für etwas anderes verwendet wurde. Laut dem Ex-Aussenminister wurde es für «Mega-Yachten in Zypern verschwendet». Inwiefern dies den Krieg in der Ukraine, zumindest aus Putins Sicht, rechtfertigen sollte, lässt Kosyrew allerdings offen.

Der dritte Punkt betrifft den Westen. «Die russische Elite glaubt, dass US-Präsident Joe Biden geistesgestört und die EU ‹zahnlos› ist, da die Sanktionen gegen Russland 2014 zu lasch waren. Die USA haben dieses Narrativ durch ihren schlechten Abzug in Afghanistan nur noch verstärkt.»

Wer all diese Statements für wahr halten würde und den Ruhm des russischen Reichs wiederherstellen möchte, der würde die Ukraine-Invasion als völlig rational interpretieren, ist Kosyrew überzeugt.

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Westen soll sich zu nichts zwingen lassen

Der ehemalige Aussenminister räumt allerdings ein, dass sich Putin in allen drei Punkten total verrechnet habe. «Doch das macht ihn nicht verrückt, lediglich unmoralisch.» Für Kosyrew ist deshalb klar, dass Putin keinen Atomkrieg «gegen den Westen» führen werde. «Zumindest nicht absichtlich.» Eine Garantie dafür gebe es nicht, da es gut möglich sei, dass das russische Militär «versehentlich» ein Atomkraftwerk beschiessen könnte.

Das Drohen mit einem Atomkrieg sei gar ein weiterer Beweis für Putins Rationalität, behauptet Kosyrew. «Der Kreml weiss, dass er dem Westen und der Ukraine Zugeständnisse abringen kann, indem er sein letztes Ass aus dem Ärmel schüttelt: seine Atomwaffen.»

Deshalb solle der Westen davon absehen, sich durch die Atom-Drohung zu irgendetwas zwingen zu lassen. Ob Kosyrew mit diesen Aussagen dem Kreml-Chef zu Hilfe eilen wollte, oder vor ihm warnen, lässt sich aus seinen Aussagen nicht klar erschliessen. Der Russe wurde allerdings in der Vergangenheit aus den eigenen Reihen für seine Affinität gegenüber dem Westen immer wieder heftig kritisiert. (chs)

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