Russische Truppen haben in der Nacht auf Freitag ein Atomkraftwerk in der ukrainischen Stadt Saporischschja angegriffen. Der ukrainische Präsident Selenski sprach von «Nuklear-Terror» durch die russischen Truppen und warf ihnen vor, gezielt auf die Reaktorblöcke zu schiessen. Der britische Premier Boris Johnson sprach gar von einer direkten Gefährdung der Sicherheit ganz Europas.
Bei den Kämpfen auf dem Gelände brach ein Brand aus. Dieser konnte inzwischen wieder gelöscht werden. Er betraf ein Schulungsgebäude ausserhalb des Schutzraums um das Kraftwerk.
Auch wenn diesmal offenbar Schlimmeres verhindert werden konnte, stellt sich die Frage: Wie sicher sind eigentlich AKW im Kriegsfall? Nicht auszumalen, was passieren würde, sollte das AKW in Saporischschja einem zukünftigen Angriff nicht standhalten.
AKW müsste einige Tage schwer bombardiert werden
Horst-Michael Prasser, emeritierter Professor für Kernenergie an der ETH Zürich: «Man müsste den Reaktor so treffen, dass ein Kühlmittelverlust ausgelöst wird. Dabei müsste gleichzeitig eine Reihe von Sicherheitssystemen lahmgelegt werden.» Mit einer Rakete sei das aber nicht zu schaffen. «Ein AKW ist ja keine Papierkiste. Der Reaktor steht tief im Gebäude und ist von einer massiven Betonwand umgeben», so Prasser.
Auch die Sicherheitssysteme seien gut geschützt. «Das AKW müsste schon einige Tage schwer bombardiert werden, bis es zu einer grossen Reaktorkatastrophe kommt.» Er geht deshalb nicht davon aus, dass es zu einem zweiten Tschernobyl oder Fukushima kommen wird. Trotzdem warnt Prasser: «Doch jeder Angriff ist gefährlich und sollte nicht unterschätzt werden.»
Es ist allerdings fraglich, ob es zu weiteren Angriffen auf ukrainische AKW kommen wird. Für Oliver Thränert vom ETH Center of Security Studies ist nämlich klar: Für Putin haben die AKW einen hohen strategischen Wert. «An einer nuklearen Katastrophe in der Ukraine hat Moskau kein Interesse. Sie würde nur die russische Kriegsführung in der Ukraine zusätzlich belasten.»