Alle sieben Jahre wird in Italien ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Jetzt ist es wieder soweit. Der amtierende Präsident Sergio Mattarella (80) will das Amt nicht weiterführen. Ein neuer Mann muss her. Silvio Berlusconi (85) weiss auch schon wer. Viermal war der skandalumwitterte Dauer-Politiker Ministerpräsident – Staatspräsident hingegen war er noch nie. Das würde der Milliardär und Medien-Mogul nun gerne auch noch werden. Trotz Korruptionsvorwürfen, Steuerhinterziehung und schlüpfrigen Bunga-Bunga-Skandalen.
Offiziell kandidieren kann man in Italien für das Amt des Staatsoberhauptes nicht, aber die Werbetrommel rühren. So geben sich in diesen Tagen Abgeordnete fast aller Parteien in der römischen Villa des Gründers der Partei «Forza Italia» die Klinke in die Hand. Mitte-Rechts und Rechts aussen, die in den Kammern eine knappe Mehrheit erreichen könnten, flirten zunächst mit der Idee. Die Mitte-Links-Parteien lehnen den selbsternannten Kandidaten erwartungsgemäss strikt ab. Hinter den Kulissen brodelt es. Und Berlusconis Chancen schwinden.
«In Rom ist man realistisch»
Für den deutschen Politologen Roman Maruhn (50) steht jedenfalls fest: Der «Cavaliere» wird definitiv nicht der kommende Staatspräsident. «In Rom ist man realistisch», sagt der Italien-Experte mit Wohnsitz in Palermo, «es wird bezweifelt, dass für Berlusconi genug Stimmen zusammenkämen».
Da wären das hohe Alter und die angeschlagene Gesundheit, so Maruhn. «Im vergangenen Jahr ist Silvio Berlusconi mehrfach ins Spital eingeliefert worden». Der Dauerpolitiker hat Herzrhythmusstörungen. Nach einem Sturz prellte er sich die Hüfte. Seit seiner Corona-Infizierung im Sommer 2020 leidet er unter Long-Covid. Am Ende der Präsidentschaft wäre der Unternehmer 92 Jahre alt.
Keine Vita für ein glanzvolles Comeback
Auch seine Vita steht einem glanzvollen Comeback im Wege. «Berlusconis Biographie ist nicht grad gesetzeskonform», sagt der Politwissenschaftler. Tatsächlich liefen mehrere Verfahren vor italienischen Gerichten. Es geht um Mafia-Kontakte, illegale Parteifinanzierung und Korruption. Am 1. August 2013 wurde Silvio Berlusconi wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilt.
Während der Ex-Premier in diesen Tagen mit dem Präsidentenamt liebäugelt, läuft in Bari noch immer ein Prozess zu den sogenannten Bunga-Bunga-Sexpartys, die der Ex-Premier mit blutjungen Mädchen in seiner Mailänder Villa schmiss. Eine seiner zahlreichen Geliebten war die damals erst 17-jährige marokkanische Bauchtänzerin Karima El Mahroug alias «Ruby Rubacuori» (30). Das brachte dem Politiker eine Klage wegen Amtsmissbrauchs und Umgangs mit minderjährigen Prostituierten ein.
Mario Draghi wird als Premier gebraucht
Die feine Art war nie Berlusconis Stärke. Er gilt als Zotenreisser, Sexist und Macho. Zu seinen engen politischen Freunden zählten Wladimir Putin, George W. Bush und Libyens einstigen Diktator Muammar al-Gaddafi. «Kann so jemand eine Nation einen, Stabilität geben in dieser wichtigen Phase?», fragt Roman Maruhn. Daran würden auch viele Abgeordnete zweifeln. «Der Staatspräsident muss Ruhe ausstrahlen und Rückhalt liefern», sagt der Italien-Experte, «das Standing und den Respekt hätte Mario Draghi (74)».
Doch der würde noch als Ministerpräsident gebraucht. Es gelte eine fragile Regierungskoalition zusammenzuhalten, das Land aus der Corona-Krise zu führen und den EU-Aufbauplan für Italien umzusetzen. Ihn in der jetzigen Situation von der Regierung abzuziehen, würde bedeuten, die Büchse der Pandora zu öffnen.
Am Montag beginnt der erste Wahlgang. «Das Ergebnis ist nicht absehbar», sagt Roman Maruhn, «vielleicht überrascht ein ganz anderer Name.» Oder am Ende doch noch Silvio Berlusconi?