Es war kein Job wie jeder andere. Mark Law, Chef einer Tourismusfirma, war einer der ersten, der auf White Island war. Nach dem Ausbruch des Whakaari wollten die neuseeländischen Rettungsorganisationen nicht auf die Insel, die Sicherheitsbedenken waren zu gross. Also handelte Law. Er trommelte ein paar Kollegen zusammen und mit zwei Helikoptern flogen sie zum Whakaari. 20 Minuten später befanden sie sich über der Insel, wie er dem «Guardian» erzählte.
«Ich flog runter zum Krater. Auf 60 Meter Höhe konnten wir die Menschen unten sehr gut sehen. Sie lagen am Boden rum, die Beine und Arme weit von sich gestreckt. Wir suchten einen Platz zum landen, was ein Problem war.» Der Whakaari stiess eine riesige Aschewolke zum Himmel, welche die Triebwerke der Helikopter hätte zerstören können. Vor allem aber ist die Aschewolke auch für Menschen hochgiftig. Wer die Dämpfe einatmet, stirbt, wie Vulkan-Experte Larryn Diamond gegenüber BLICK sagte.
«Als ob man durch Magnesiumpulver rennt»
Das Tragen einer Atemmaske ist für Inselbesucher deshalb Pflicht. Law pfiff darauf. «Ich breche lieber ein paar Regeln und rette ein paar Leben, als rumzusitzen und darüber nachzudenken, was hätte sein können.» Er hatte ohnehin mit anderen Problemen zu kämpfen.
Nachdem ein Landeplatz gefunden war, stellte er fest, dass das Vorwärtskommen auf zwei Beinen noch schwieriger war als im Helikopter: «Es fühlte sich an, als würden wir durch Magnesiumpulver rennen», beschrieb Law die ersten Momente auf der Insel. «Überall sahen wir Menschen liegen. Tote, Sterbende, Lebende, Bewusstlose. Wir versuchten zuerst denen zu helfen, die augenscheinlich die grössten Schwierigkeiten hatten.» Asche, Hitze und Staub erschwerten die Rettung erheblich: «Wir konnten kaum atmen und ohne Gasmaske schnappten wir ständig nach Luft, aber das Adrenalin hat geholfen».
«Die Haut löste sich ab»
Law ist nicht leicht zu erschüttern. Als Soldat war er mehrmals in Krisengebieten Afrikas, hat laut eigener Aussage viele Tote gesehen. Die Verwundeten auf White Island verstörten aber auch ihn: «Die Verbrennungen waren schrecklich», sagte er dem Guardian. «Während wir den Leuten beim Aufstehen halfen, löste sich ihre Haut ab». Die Opfer seien mit Asche und Staub bedeckt gewesen. «Viele der Leute konnten nicht sprechen. Das einzig richtige Wort war ‹Hilfe›».
40 bis 50 Minuten verbrachten Law und seine Kollegen auf der Insel. Sie schafften es, fünf Personen in ihre zwei Helikopter und zwei weitere in eine dritte Maschine zu hieven. Insgesamt brachten sie 13 Menschen aus der Gefahrenzone.
Aus Gejauchze wurde Entsetzen
Law ist nicht der einzige Held von White Island. Lillani Hopkins (22) und ihr Vater Geoff Hopkins waren auf einem Boot, das Verwundete direkt nach dem Ausbruch an Land brachte. Fünf davon starben ein paar Stunden, nachdem sie an Land waren. Dass es nicht mehr waren, lag auch an den Hopkins. Selber waren sie keine halbe Stunde vor dem Ausbruch auf dem Vulkan, starrten in den Krater. Als sie auf dem Boot waren und die Aschenwolke emporsteigen sahen, gab es zuerst freudige Juchzer. Die Menschen waren begeistert, das Spektakel zu sehen. Schnell jedoch wich die Begeisterung absolutem Entsetzen.
Vom Boot sahen die Touristen, wie von Asche übersäte Menschen Richtung Meer rannten und sich ins Wasser warfen. Sofort versuchte die Crew, die Leute zu retten, stellte aber fest, dass sie überfordert waren. Darum galt die Devise: Jeder der helfen kann, soll es tun. Da waren 23 Menschen, deren Leben in unsere Händen lag», sagte Lillani der Website «Stuff». Wie ihr Vater war sie in erster Hilfe ausgebildet. «Das waren vermutlich die zwei längsten Stunden meines Lebens.»
Vom Pflasterankleben zur Lebensretterin
Ihr Rettungs-Diplom erhielt die 22-Jährige durch die Arbeit mit Kindern. «Aber das war, weil ich Pflaster auf Schürfwunden klebte», sagte Hopkins. Auf dem Boot hingegen war sie dafür verantwortlich, den Verwundeten grüne, orange und rote Marken anzukleben. Je nachdem, wie nahe sie aus Lillanis Sicht am Tod waren. «Wir liefen in Unterwäsche herum, um die Menschen mit unseren Kleidern zu wärmen. Sie hatten kalt, aber sie brannten», lässt sich die Studentin zitieren. Die Verwundeten seien immer wieder bewusstlos geworden und weinend aufgewacht. «Ich habe versucht, den Leuten zu sagen, dass alles gut werde. Heute zu wissen, dass fünf dieser Personen starben und ich nicht weiss, wer sie sind, das ist das Härteste.»
Ein weiterer Toter wurde am Dienstag von der Polizei gemeldet. Die Person erlag ihren Verbrennungen im Spital. Damit sind bisher sechs Menschen wegen des Vulkanausbruchs gestorben. 31 Personen liegen noch im Spital – die meisten von Ihnen mit Verbrennungen von mehr als 70 Prozent der Haut. Acht Personen werden auf der Insel vermisst, für sie gibt es keine Hoffnung mehr (Lesen Sie hier alles zu den Opfern des Vulkanausbruchs).
Die Vermissten gehen einem besonders nahe, so Mark Law. Nachdem die ersten 13 Verwundeten abgeladen waren, wollte er zurückfliegen. Die Behörden hinderten ihn daran. Tun es noch immer. «Es geht nur um Bürokratie. Wenn ich dürfte, würde ich einfach die Körper holen.»