Genugtuung für die deutsche Spitzenpolitikerin Alice Weidel (44): Die Vorsitzende der erst vor zehn Jahren gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) «ist der grosse Gewinner bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen». Dies meldet der öffentlich-rechtliche Sender ZDF am späten Sonntag.
In einem Interview sprach das ZDF Weidel auch auf die «aufgepeitschte Stimmung» im Land an und die «Sicherheitswarnung» an die Politikerin Ende September an. Es sei «inakzeptabel, dass Politiker gefährdet sind», so die Moderatorin. Ihre Familie, antwortet Weidel, sei dabei «traumatisiert» worden.
Trotz des Erfolgs an den Wahlurnen ist der grossen Wahlsiegerin des Tages nicht wirklich zum Feiern zumute. Weidel lebt mit ihrer vierköpfigen Familie in Einsiedeln SZ. Wegen eines «sicherheitsrelevanten Vorfalls» – sprich: wegen einer Bedrohung – hatten sie, ihre Schweizer Partnerin Sarah Bossard (41) und ihre zwei Söhne am 23. September in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in Sicherheit gebracht werden müssen. Die Kantonspolizei Schwyz bestätigte den Einsatz letzte Woche. Aus «ermittlungstaktischen Gründen» würden keine Angaben zur Art der Bedrohung oder mutmasslichen Täterschaft gemacht.
Traumatisierender Vorfall
Jetzt äussert sich Weidel erstmals zum Vorfall – und spricht von der Traumatisierung ihrer Kinder. Die Moderatorin suggerierte noch, Weidel habe eine Sicherheitsbedrohung womöglich simuliert und die eigene Partei getäuscht. «Fakt ist», erklärte die AfD-Parteichefin mit festem Blick in die Kamera, «dass vor 14 Tagen meine Wohnung mitsamt der Familie – wir haben zwei kleine Kinder – von einer Antiterror-Einheit geräumt wurde und ich in eine sichere Umgebung verbracht wurde. Mit zwei kleinen Kindern. Sie können sich vorstellen, wie traumatisierend das gewesen ist.»
Weidel habe sich dann «aufgrund der Traumatisierung ihrer Kinder entschlossen, mit meiner Familie Abstand von diesen schrecklichen Ereignissen zu nehmen und das mit unseren Kindern aufzuarbeiten». Sie habe nicht einfach weiter im Wahlkampf sein können. Ein Auftritt Anfang Oktober in Bayern wurde abgesagt.
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Wahlfaktor Migrationspolitik
Nun ist Weidel zurück. Die Wahlen – die in Deutschland gemeinhin auch als die kleine Bundestagswahl bezeichnet werden, weil sie als richtungsweisender politischer Stimmungstest im Land gelten – fahren der Rechtsaussen-Partei in Hessen und in Bayern neue Rekordwerte in Westdeutschland ein.
Laut einer Wahlforschungsanalyse von «Bild» hat Migration die Wahlen entschieden. Diese «überlagerte am Ende alles». Ein Politologe sagte: «Die AfD hat den Finger in eine offene Wunde gelegt, nämlich die von vielen kritisierte der Bundesregierung. Und sie hat damit Erfolg gehabt.»
Bayern und Hessen sprechen deutlich
Die beiden wichtigen Bundesländer haben am Sonntag klar gesprochen: In Bayern verzeichnet die historisch dominante CSU eine grosse Niederlage. Die AfD verschiebt die politischen Kräfte und wird neu zur zweitstärksten Partei. Bei den letzten Wahlen 2018 hatte die AfD noch 10,2 Prozent errungen, jetzt steigern sich die Rechtspopulisten auf rund 16 Prozent im bayerischen Landtag.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Hessen. Die CDU von Ministerpräsident Boris Rhein (51) geht zwar als eindeutige Siegerin aus der Wahl hervor und könnte mit den Grünen als Koalitionspartner weiterregieren. Die SPD um Bundesinnenministerin Nancy Faeser (53) als Spitzenkandidatin erlebte aber erneut ein Debakel.
Die SPD rutscht mit Faeser auf ein Rekordtief ab und unterbietet ihr bislang schlechtestes Ergebnis von 19,8 Prozent bei der Landtagswahl von 2018 noch einmal klar. Der Wahlkampf sei stark vom Migrationsthema und damit von aussen bestimmt gewesen, sagte eine enttäuschte Faeser vor Anhängern. Das habe «niemanden geholfen, ausser der AfD».
Wird AfD 2024 zur Regierungspartei?
Die AfD, die in Hessen vor fünf Jahren noch auf 13,1 Prozent kam, legte klar zu und dürfte zur stärksten Oppositionspartei im neuen Landtag werden. AfD-Spitzenkandidat Robert Lambrou (56) bot der CDU die Zusammenarbeit in einer Koalition an. Seine Partei stünde «bereit», sagte er am Sonntag. Rhein schloss eine Zusammenarbeit wie bereits im Wahlkampf auch am Sonntag aus.
Auch in Bayern werde es «realistischerweise» zu keiner Zusammenarbeit kommen, so Parteichefin Weidel im ZDF – wegen der sogenannten «Brandmauer»-Politik von Ministerpräsident Markus Söders (56) CSU.
Weidel betonte, in Ostdeutschland sei die AfD die stärkste Kraft. Nach den Wahlen nächstes Jahr in drei östlichen Bundesländern werde man an der Partei «nicht mehr vorbeikommen». Weidel: «Man muss die AfD bei der Regierungsbeteiligung miteinbeziehen.»