Amerikanerinnen drohen das Recht auf Abtreibung zu verlieren. Der oberste US-Gerichtshof tendiert offenbar dazu, sein Grundsatzurteil zu Abtreibungen von 1973 zu kippen.
Im ganzen Land kommt es zu Demonstrationen. Auf Plakaten steht: «Mein Körper, meine Wahl» und «Frauenfeindlichkeit tötet mehr Menschen als Abtreibung». Sie halten Kleiderbügel in die Höhe – als Symbol für lebensgefährliche Selbstabtreibungen, die bald folgen könnten.
Hintergrund ist der Entwurf einer Urteilsbegründung des Supreme Court, der dem Magazin «Politico» vorliegt. Diesem Entwurf zufolge soll das als «Roe v. Wade» bekannte Grundsatzurteil von 1973 gekippt werden. Auf diesem basiert das Abtreibungsrecht der Amerikanerinnen.
Der Supreme Court hat die Echtheit des Dokuments bestätigt. Gleichzeitig betonte er, dass es sich dabei nicht um eine finale Entscheidung handele.
So argumentiert das US-Gericht
Dem Magazin war ein erster Entwurf der Urteilsbegründung zugespielt worden. Dieser ist auf den 10. Februar datiert. Der konservative Richter Samuel Alito (72) bezeichnet das Grundsatzurteil «Roe v. Wade» als «von Anfang an ungeheuerlich falsch».
Das «Roe v. Wade»-Urteil solle laut Alito zusammen mit einer weiteren Gerichtsentscheidung zum Schwangerschaftsabbruch, genannt «Planned Parenthood v. Casey» aufgehoben werden. Weiter heisst es, dass «die Frage der Abtreibung an die gewählten Volksvertreter zurückgegeben» werden solle.
Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das Abtreibungen erlaubt oder verbietet. Sie sind jedoch mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – heute etwa bis zur 24. Woche. Grundlage dafür sind die beiden Urteile, die der Supreme Court aufheben will. Kippt es, ist der Weg frei für scharfe Anti-Abtreibungsgesetze – oder Verbote in einzelnen US-Staaten.
Was sagt Präsident Biden dazu?
US-Präsident Joe Biden (79) hat angesichts der drohenden massiven Einschränkung des Abtreibungsrechts Gegenwehr angekündigt. Es brauche ein landesweites Gesetz, welches das Recht auf Abtreibung schütze, sagte er am Dienstag.
Er wolle sich dafür einsetzen, dass ein solches Gesetz «verabschiedet und unterzeichnet» werde. Und weiter: «Wir werden bereit sein, wenn eine Entscheidung ergeht.»
Doch dass Biden sich so massiv wehren kann, wie er offenbar will, ist unwahrscheinlich. Mit den aktuellen Mehrheiten im Senat können Bidens Demokraten ein solches Gesetz nicht ohne Weiteres durchbringen.
Auch Obama gegen Kippen des Gesetzes
Auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama (60) hat eindringlich vor einem Ende des Rechts auf Abtreibung in den USA gewarnt. «Die Folgen dieser Entscheidung wären ein Schlag nicht nur für die Frauen, sondern für alle, die glauben, dass es in einer freien Gesellschaft Grenzen für den Eingriff des Staates in unser Privatleben gibt», erklärt er.
Und weiter: «Nach der Logik des Gerichts könnten die Parlamente der Bundesstaaten vorschreiben, dass Frauen jede Schwangerschaft bis zum Ende austragen müssen, unabhängig davon, wie früh sie ist und welche Umstände zu ihr geführt haben – selbst bei Vergewaltigung oder Inzest.»