Auf einen Blick
- Israelische Pager-Bomben dezimierten Hisbollah im Libanon
- Pager-Batterien waren ausgeklügelte tickende Zeitbomben
- Israels Geheimdienst erfand Firmen und Produkte zur Täuschung von Hisbollah
- Tausende Pager explodierten gleichzeitig in Hisbollah-Hochburgen
- Sabotageplan forderte 39 Tote und mehr als 3400 Verletzte
Mit einer von langer Hand geplanten Aktion machte Israels Geheimdienst unscheinbare Pager zu tödlichen Waffen. Mit einem gerissenen Sabotageplan «bewaffnete» Mossad die von Hisbollah benutzten Funkmeldeempfänger, die Anfang des Jahres in den Libanon geliefert wurden. Die Geräte waren Teil eines ausgeklügelten israelischen Plans zur Dezimierung der Terrorgruppe. Tausende der Militanten trugen ahnungslos die tickenden Zeitbomben auf sich, bis Israel sie zündete.
Die Mossad-Agenten, die die Pager bauten, entwarfen eine Batterie, die eine kleine, aber potente Ladung Plastiksprengstoff und einen neuartigen, für Röntgenstrahlen unsichtbaren Zünder verbarg. Dies geht aus einer libanesischen Quelle hervor, die über die Untersuchungen der Pager und Batterien eingeweiht ist, wie Reuters berichtet.
Die Achillesferse des Pagers war dessen Grösse. Das kleine Gerät war ungewöhnlich klobig im Vergleich zu den handelsüblichen kleineren Modellen. Daher erstellten die Israelis gefälschte Online-Shops mit Zertifikaten und Beiträgen, um die Hisbollah zu täuschen. Entsprechende Webseiten sind in Webarchiven gespeichert.
Ausgeklügelte Konstruktion
Bei den unauffälligen Pager-Bomben handelte es sich um eine Sabotageaktion, die jahrelang in Planung war. Die jetzt erstmals beschriebene, sorgfältig konstruierte Tarnung der Batterie schaffte es, die Erzfeinde im grossen Stil hinters Licht zu führen. Für die manipulierte Batterie benutzten die Israelis ein dünnes, quadratisches Blatt mit sechs Gramm weissem Plastiksprengstoff. Dieses wurde zwischen zwei rechteckigen Batteriezellen eingeklemmt.
Der mit dem Sprengstoff gefüllte Raum zwischen den Batteriezellen war auch für Röntgenstrahlen unsichtbar – wie auch der Streifen aus hochentzündlichem Material, der als Zünder fungierte.
Zünder hätte Sabotage entlarvt
Die dreilagige Batterie wurde in eine schwarze Plastikhülle eingeschweisst und in einem Metallgehäuse von etwa der Grösse einer Streichholzschachtel verkapselt. Von aussen sah die Stromquelle des Pagers wie ein standardmässiges Lithium-Ionen-Batteriepack aus, wie es in Tausenden von Konsumelektronikgeräten verwendet wird. Eine so geniale wie tödliche Konstruktion: Ohne standardisierten Miniaturzünder blieb die tödliche Ladung für die Zielgruppe unsichtbar.
Sprengstoffexperten zufolge waren die Pager wahrscheinlich so gebaut, dass sie einen Funken im Batteriepack erzeugen konnten, um das detonierende Material zu entzünden und die quadratische Scheibe aus Plastiksprengstoff zur Explosion zu bringen.
Erfundenes Produkt
Und doch hatte die Batterie, die als LI-BT783 gekennzeichnet war, ein grosses Problem: Es gab sie gar nicht auf dem Markt. Wie der Pager existierte sie nicht. Also erfanden Israels Agenten von Grund auf eine Hintergrundgeschichte, um die strengen Beschaffungsverfahren der Hisbollah zu täuschen.
Den Islamisten wurde weisgemacht, dass sie das massgeschneiderte Modell AR-924 der renommierten taiwanesischen Marke Gold Apollo kaufen. Weiter erfanden die Israelis eine Filiale der Firma in Hongkong, mit eigener Webseite, sowie zwei Batteriegeschäfte mit eigenen Katalogen. Angebliche Käufer des Produkts gaben gute Bewertungen ab. Alles war Fiktion. Hisbollah schluckte die Köder.
Scanner lösten keinen Alarm aus
Die Konstruktion kam ohne Metallkomponenten aus. Daher konnte kein Teil des tödlichen Konstrukts von Röntgenstrahlen erkannt werden. Die Hisbollah ist paranoid in Bezug auf ihre Sicherheit. Die Pager seien noch im Februar auf womöglich eingebauten Sprengstoff untersucht worden. Die Geräte wurden offenbar von Sicherheitsscannern geprüft, wie sie an Flughäfen benutzt werden. Die Scanner lösten keinen Alarm aus, nichts Verdächtiges wurde entdeckt.
Auch schwache Batterie machte nicht misstrauisch
Da der Sprengstoff und dessen Verschalung etwa ein Drittel des Geräts ausmachten, lieferte das reduzierte Batteriepack nur einen Bruchteil der üblichen Leistung. Auch das machte die Benutzer offenbar nicht misstrauisch.
Die Hisbollah habe wohl bemerkt, dass die Pager schneller als erwartet entladen wurde. Das Problem schien jedoch keine grösseren Sicherheitsbedenken zu wecken. Die Gruppe verteilte die Geräte immer noch an ihre Mitglieder, als Israel sich am 17. September dazu entschied, die Pager zu zünden.
Tausende der Geräte explodierten gleichzeitig in den südlichen Vororten von Beirut und anderen Hisbollah-Hochburgen. In den meisten Fällen piepten die Geräte noch, was auf eine eingehende Nachricht hinwies. Die Besitzer der Pager nahmen diese in die Hand und blickten auf den kleinen Bildschirm – 39 Menschen starben infolge der Explosion, mehr als 3400 wurden verwundet.
Israel schweigt zu «Angriffen»
Viele der Opfer erlitten Augenverletzungen, abgerissene Finger oder klaffende Wunden im Unterleib, wie Reuters berichtet.
Neben Pagern hatte der israelische Geheimdienst Mossad auch Walkie-Talkie-Funksprechgeräte der Hisbollah mit den Sprengfallen ausgestattet. Diese wurden kurz später gezündet – mit den gleichen Folgen. Israel hat seine Rolle in den «Angriffen» bislang weder bestätigt noch dementiert.