Auf einen Blick
- Explosion in Kölner Café beunruhigt Einwohner
- Ermittler vermuten Zusammenhang mit Drogenbanden und offenen Rechnungen
- 500 bis 600 Explosionen jährlich in den Niederlanden
Das Ladenlokal ist vollständig ausgebrannt, die Schaufensterscheiben zerstört, Teile der zerfetzten Aussenverkleidung hängen lose herunter: In der westdeutschen Metropole Köln hat es erneut eine Explosion gegeben, diesmal in Pesch am Stadtrand.
Anwohner berichteten in der Nacht um 2.45 Uhr von einem lauten Knall. Kurz darauf stand das Café im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Flammen.
«Es macht mir schon Sorge», sagte Ralf Kurz, ein Anwohner, am Vormittag der Deutschen Presse-Agentur. «Weil das immer weitergeht, und man hat ja hier schon mehrere Anschläge in Köln erlebt.» Es sei naheliegend, dass zwischen den Explosionen der vergangenen Wochen ein Zusammenhang bestehe. «In einem sicheren Staat müssen wir uns schon auch mit dieser Problematik befassen», meinte er.
Für die Kölnerinnen und Kölner sind nächtliche Explosionen mittlerweile fast schon Normalität. Allein in der vergangenen Woche gab es zwei davon in der direkten Innenstadt. In einer nahe gelegenen Schule meldeten sich Eltern mit der Frage, ob der Unterricht überhaupt stattfinden könne.
Täter stellt sich Polizei
Was die jüngste Explosion in der Nacht betrifft, so gibt es laut Polizei keine Anhaltspunkte, die auf Bezüge zu den Explosionen in der vergangenen Woche hindeuten. Aber selbst wenn es keine Verbindung geben sollte: Die Serie von Explosionen ist für die Einwohner der viertgrössten deutschen Stadt beunruhigend und in dieser Form beispiellos.
In der vergangenen Woche beriefen Polizei und Staatsanwaltschaft zwar eilig eine Pressekonferenz im Polizeipräsidium ein, doch grosse Neuigkeiten verkündeten sie nicht. «Wir können Ihnen heute noch keine Ermittlungserfolge präsentieren», räumte Kripo-Chef Michael Esser ein. Dabei arbeiten mehr als 60 Ermittlerinnen und Ermittler an der Aufklärung.
Am Mittwoch tut sich dann was: Ein Täter stellte sich bei der Polizei wegen der Explosion im Stadtteil Pesch.
Offene Rechnungen im Drogenmilieu
Im Zusammenhang mit den Explosionen fällt immer wieder der Begriff «Mocro-Mafia», den sich Polizei und Staatsanwaltschaft aber ausdrücklich nicht zu eigen machen. «Mocro» ist in den Niederlanden ein Slangwort für Marokkaner, und Niederländer mit marokkanischen Wurzeln sind mitunter im Drogenhandel involviert. Explosionen vor Wohnungen, Geschäften und Betrieben sind im kriminellen Milieu in den Niederlanden ein oft angewandtes Druckmittel, um Rivalen oder Schuldner einzuschüchtern.
Auseinandersetzungen unter Drogenbanden finden derzeit auch in Köln statt. «Es gibt offensichtlich im Milieu offene Rechnungen, die noch beglichen werden», sagte Esser in der vergangenen Woche. Eine dieser offenen Rechnungen bezieht sich nach Angaben von Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf das Verschwinden von schätzungsweise 300 Kilogramm Cannabis.
Schleppende Ermittlungen
Die Gruppierung, die um diese Drogen geprellt worden sei, versuche nun, das Cannabis zurückzubekommen oder Schadenersatz zu erhalten. In diesem Kontext seien auch zwei Geiselnahmen von Ende Juni/Anfang Juli in Hürth bei Köln und im Kölner Stadtteil Rodenkirchen zu sehen. Hierbei gebe es auch Verbindungen in die Niederlande.
Ein Grund für den schleppenden Verlauf der Ermittlungen ist, dass sich sowohl die in Untersuchungshaft sitzenden Verdächtigen als auch die Opfer mit Informationen zurückhalten. Sie seien «im eigenen Interesse nicht darum bemüht, in Vernehmungen die Karten offen auf den Tisch zu legen», berichtete Esser. Vermutlich befürchten sie Racheakte.
500 bis 600 Detonationen jährlich in den Niederlanden
In den Niederlanden heisst es in diesem Zusammenhang seit langem: «Wie praat, die gaat.» Wer redet, der geht. Und wenn man an den, der geredet hat, gerade nicht herankommt, weil er zum Beispiel in Haft ist, dann müssen eben Familienmitglieder oder andere Menschen aus dem persönlichen Umfeld dafür büssen.
Denkbar ist auch, dass Kriminelle, die mit dem ursprünglichen Tatgeschehen gar nichts zu tun haben, die Explosionen für ihre eigenen Zwecke nachahmen. In den Niederlanden jedenfalls würden Explosionen mit Feuerwerk und selbst gebastelten Sprengsätzen mittlerweile weit über das Drogenmilieu hinaus ausgeführt, erläuterte der Kriminologe Cyrille Fijnaut. Dort gehe es um 500 bis 600 Detonationen jährlich: «Eine enorme Plage.»