Es ist, als wäre die Nadel im Heuhaufen verloren gegangen: Irgendwo entlang einer langen Wüstenstrasse in Westaustralien ist eine winzige radioaktive Kapsel verschwunden. Sie war Teil eines Strahlungsmessgeräts in einer Bergbaumaschine. Bei einem Transport von einer Mine nördlich der Bergbaustadt Newman zu einem Depot nahe der Metropole Perth ist die Kapsel offenbar von einem Lastwagen gefallen.
Das geschah offenbar schon in der zweiten Januarwoche. Ihr Fehlen wurde allerdings nach Informationen des TV-Senders ABC erst am 25. Januar beim Entladen des LKWs bemerkt. Es wird davon ausgegangen, dass starke Erschütterungen durch holprige Strassen eine Befestigungsschraube gelöst haben, wodurch die Kapsel herausfallen konnte.
Am späten Freitag (Ortszeit) hatte das Gesundheitsministerium von Western Australia die Bevölkerung über den Vorfall informiert.
Für Menschen sehr gefährlich
Die Kapsel sende «eine ordentliche Menge Strahlung» aus, sagte Andrew Robertson, der Gesundheitsbeauftragte des Bundesstaates. Im Umkreis von einem Meter sei diese in etwa so hoch wie zehn Röntgenbestrahlungen innerhalb einer Stunde – oder die Menge an natürlicher Strahlung, der ein Mensch über ein ganzes Jahr ausgesetzt sei.
«Die Kapsel emittiert sowohl Beta- als auch Gammastrahlen. Wenn Sie ihr nahe kommen, können Sie Hautschäden einschliesslich Hautverbrennungen erleiden», sagte Robertson. Zudem birgt Cäsium-137 bei Menschen das Risiko einer Strahlenkrankheit und potenziell tödlichem Krebs.
Winzige Kapsel auf riesigem Gebiet schwer zu finden
Mit ihren sechs mal acht Millimetern ist die winzige Kapsel kleiner als ein Fünfräppler. Umso grösser ist dafür der Streckenabschnitt des Great Northern Highway, entlang dessen sie verschwunden sein könnte: 1400 Kilometer – das entspricht etwa vier Fahrten quer durch die Schweiz.
Die Behörden bestimmten die genaue Route des Fahrers mithilfe der GPS-Daten des Lastwagens. Nun suchen Teams der Feuerwehr und der Rettungsdienste das Gebiet mit Strahlungsdetektoren ab. Aufgrund der winzigen Grösse der Kapsel und der riesigen Entfernungen ist die Chance, sie zu finden, allerdings sehr gering, warnen die Behörden.
Ausserdem wird befürchtet, dass die Kapsel bereits weiter aus dem Suchgebiet herausgetragen worden sein könnte: Möglicherweise hat sie sich in den Reifen eines anderen Fahrzeugs verfangen oder wurde von Tieren, einschliesslich Vögeln, aufgenommen und weggetragen.
Kapsel noch 300 Jahre radioaktiv
«Normalerweise ist Cäsium-137 eine versiegelte Quelle. Das heisst, wenn sie nicht zerbrochen wird, kontaminiert sie weder den Boden noch die Umwelt», sagte Pradip Deb, Dozent und Strahlenschutzbeauftragter an der RMIT University in Melbourne, gegenüber CNN. Cäsium-137 hat eine Halbwertszeit von etwa 30 Jahren und könnte noch die nächsten 300 Jahre radioaktiv sein, fügte Deb hinzu.
Ob Rio Tinto, der Betreiber der Mine, für den Vorfall zur Rechenschaft gezogen werde, könne er nicht entscheiden, sagte Roger Cook (57), der stellvertretende Regierungschef von Western Australia. (SDA/hei)