Palastrevolte gegen Boris Johnson
So bremsen Brexit-Gegner den künftigen Premier aus

Kaum noch jemand zweifelt daran, dass Boris Johnson Premierminister wird. Seine Gegner bereiten sich auf das Schlimmste vor.
Publiziert: 22.07.2019 um 18:17 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2019 um 08:27 Uhr
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Bereitet sich schon auf den Umzug vor: der voraussichtliche Bald-Premier Boris Johnson.
Foto: Getty Images
Fabienne Kinzelmann

Es müsste viel schiefgehen, damit Boris Johnson (55) am Mittwoch nicht in die Downing Street 10 einzieht. Am Montag um 17 Uhr endet in Grossbritannien die Abstimmung über die Nachfolge von Theresa May, die als Premierministerin nur noch kommissarisch im Amt ist. Der Ex-Aussenminister ist der grosse Favorit.

Er will den Brexit am 31. Oktober – ob mit Deal oder ohne. Das Brexit-Problem sei leichter lösbar als die Mondlandung, behauptete Johnson am Montag in seiner vorerst letzten Kolumne im britischen «Telegraph». Wie für den Flug zum Mond gäbe es beim Streit um die Zukunft der nordirischen Grenze «technische Lösungen». Johnson spielte damit auf den sogenannten Backstop an, den er strikt ablehnt.

Drei Wege gegen Johnsons Brexit-Plan

Opposition und Parteikollegen sind alarmiert. Sie bezweifeln, dass der künftige Premier das Brexit-Problem tatsächlich lösen kann. Im Wahlkampf offenbarte Johnson gravierende Wissenslücken zu seinem Brexit-Plan. Eine unabhängige Regierungs-Studie warnt davor, dass ein No-Deal-Brexit die Briten in die Rezession stürzt. Die Wirtschaft könnte um zwei Prozent schrumpfen, die Arbeitslosigkeit auf mehr als fünf Prozent steigen und die Immobilienpreise um zehn Prozent einbrechen.

Johnsons Gegner wollen das verhindern. Sie arbeiten an der Palastrevolte – noch bevor der Möchtegern-Premier seinen Posten überhaupt antritt. Mit diesen drei Schritten wollen Oppositionspolitiker und Parteikollegen das Schlimmste verhindern:

1. Parlament mit «Buebetrickli»

Um seinen No-Deal-Brexit gegen den Willen der Abgeordneten durchzubekommen, könnte Boris Johnson das Parlament pausieren lassen oder sogar auflösen. Der Brexit-Hardliner liebäugelt laut Medienberichten mit beiden Optionen.

Das lassen sich die Abgeordneten nicht bieten. Sie haben darum beschlossen, dass das Parlament im September und Oktober über bestimmte Themen verhandeln muss – und deswegen nicht pausieren darf.

Listig! Die entsprechende Abstimmung ging mit 315 zu 274 Stimmen über die Bühne; 17 Konservative lehnten sich gegen die Parteilinie auf, zahlreiche weitere Tory-Mitglieder enthielten sich der Stimme.

2. Minister-Rücktritte 

Johnson braucht mehr neues Personal als vermutlich erhofft. Reihenweise kündigen ihm Theresa Mays Minister schon vorab die Zusammenarbeit.

Den Anfang machten Schatzkanzler Philipp Hammond und Justizminister David Gauke. Sie wollen einen No-Deal-Brexit auf keinen Fall mittragen – und haben angekündigt, als Abgeordnete alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Johnsons Plan zu verhindern. Erwartet wird, dass Entwicklungsminister Rory Stewart den beiden folgt.

Alan Duncan, Staatssekretär im Aussenministerium, tritt ebenfalls zurück. Extra noch vor Johnsons voraussichtlicher Inthronisierung am Mittwoch, wie er in seinem auf Twitter veröffentlichten Rücktrittsschreiben ankündigt. «Damit ich meine freie Meinung dazu sagen kann.»

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3. Tory-Mehrheit wackelt

Die Regierungspartei verliert an Macht. Wenn ab September im Parlament wieder für den Brexit relevante Themen verhandelt werden, könnten den Tories bei Abstimmungen entscheidende Stimmen fehlen. Ihre ohnehin wacklige Mehrheit steht auf der Kippe.

Eine Nachwahl in Wales könnte die Tories einen Sitz kosten. Die liberalen, linken und grünen Oppositionsparteien in der Grafschaft Brecon und Radnorshire arbeiten zusammen, um den konservativen Kandidaten zu verhindern.

Die Nachwahl wurde nötig, nachdem der konservative Abgeordnete für den Sitz, Chris Davies, wegen einer falschen Spesenabrechnung verurteilt wurde. Um Davies' Wiederwahl zu verhindern, stützen die Grünen und die walisische Mitte-links-Partei Plaid Cymru den Kandidaten der Liberaldemokraten.

Plus: Sollte es zu Neuwahlen kommen, verlieren die Tories unter Johnson voraussichtlich die Mehrheit. Und das, obwohl der Brexit-Hardliner wichtige Wählergruppen anspricht. Im proeuropäischen Schottland würden die Tories jedoch die meisten der Sitze einbüssen, die Theresa May 2017 noch ins Amt gehievt hatten, zeigt eine «Politico»-Umfrage.

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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