Mittlerweile kann Werner Schaufelberger (72) über den Vorfall lachen. Doch in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag vergangene Woche sei es «nicht wirklich lustig» gewesen, sagt der erfahrene Segler im Gespräch mit Blick.
Schaufelberger war gemeinsam mit seiner Crew auf der Schweizer Segel-Yacht «Champagne» von Teneriffa nach Benalmadena in Südspanien, als kurz nach Mitternacht plötzlich eine Gruppe von Killerwalen das Boot attackierte. «Im ersten Moment dachte ich, dass wir etwas gerammt hatten», sagt Schaufelberger. «Aber schon nach kurzer Zeit war uns klar, dass es Orcas sind.»
Löcher notdürftig abgedichtet
Die Besatzung habe sofort nach dem ersten Angriff den Motor des Schiffes abgestellt, erzählt Schaufelberger. Währenddessen sei der Orca-Angriff weitergegangen. «Es waren zwei kleinere und ein grösserer Orca. Die beiden Kleinen rüttelten hinten am Ruder. Der Grosse nahm immer wieder Anlauf und rammte das Schiff mit voller Wucht», sagt Schaufelberger. Irgendwann hätten auch die zwei kleineren Orcas begonnen, das Schiff mit Anlauf zu rammen.
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Knapp zwei Stunden nach Beginn der Attacke habe die Crew dann am hinteren Ende des Schiffs zwei Löcher entdeckt. Durch diese Löcher sei Wasser in das Schiff eingedrungen. «Wir haben die Löcher versucht, notdürftig abzudichten. Dann haben wir die Küstenwache alarmiert», sagt der Skipper. «Wir hatten schon ein mulmiges Gefühl», sagt Schaufelberger. «Aber Angst hat man nach so vielen Jahren auf See nicht mehr wirklich.»
«Zum ersten Mal ein Schiff sinken gesehen»
Ein Rettungsboot in der Nähe lädt die erschöpften Segler auf. Die Yacht wird ins Schlepptau genommen, doch die Schäden sind zu gross. Kurz vor der Einfahrt in den Hafen steht das Wasser bis zum Deck. Irgendwann ragt nur noch der Mast aus dem Meer. Schaufelberger und seine Crew müssen mit ansehen, wie ihre «Alboran Champagne» im Mittelmeer versinkt. «Ich habe zum ersten Mal ein Schiff sinken sehen – der Moment ist schon speziell», sagt der erfahrene Segler.
In der Gegend komme es immer wieder zu Angriffen von Killerwalen. Meist würden diese aber harmlos verlaufen. «Normalerweise kommt es, wenn überhaupt, nur zu kleineren Schäden an Schiffen. Dass Orcas Schiffe so zerstören, gibt es eigentlich nie.» Tatsächlich wurden laut der deutschen Stiftung für Meeresschutz bislang lediglich drei Schiffe von Schwertwalen komplett zerstört.
«Hätte schlimmer kommen können»
Trotz des Schreck-Moments und der gesunkenen Yacht: Einen Groll gegen die Tiere hegt Schaufelberger nicht. «Wir wissen nicht, weshalb die Killerwale immer wieder Schiffe angreifen, aber eine Schuld gebe ich ihnen nicht.»
Die Forscher rätseln schon längere Zeit, weshalb es regelmässig zu Wal-Attacken auf Schiffe kommt. 2020 sagte Biologe Juan Antonio Romero: «Die einzige klare Antwort, die wir geben können: Wir haben keinen blassen Schimmer, was da gerade vor sich geht.»
Natürlich hätte er das Schiff gerne ganz behalten, sagt Schaufelberger. «Wenn alles planmässig gelaufen wäre, würde ich jetzt auch nicht zu Hause rumsitzen, sondern wäre vor Mallorca auf hoher See.» Aber: «Es ist am Ende doch vergleichsweise wenig passiert. Das Boot ist zwar gesunken, aber wir wurden gerettet, und uns geht es gut. Das zeigt: Es hätte viel schlimmer kommen können.»